Kurz vor Weihnachten haben wir, bevor wir ein paar Tage Pause machen und für Sie wieder im Neuen Jahr da sind, eine kleine Satire auf Lager.
Wir wünschen Ihnen zuvor ein Frohes Fest,
einen guten Rutsch
und 2015 eine gute, spannende, anregende und sonnige Schildkrötensaison.
Adrian ist genauso tierverrückt wie viele Tierhalter, vielleicht sogar noch etwas verrückter. Das letzte Hemd würde er für seine Schildkröten hergeben, damit es ihnen gut geht. Alles würde er rausrücken. Er verschafft ihnen Raum und reißt Wände ein, opfert sich selbst bis zum letzten auf und doch bleibt kaum Hoffnung, dass seine Schildkröten ihm eines Tages aus Dankbarkeit ein Denkmal errichten werden. Adrian ist das egal.
Während mir (und vielen meiner Freunde) die Tiere zwar ans Herzgewachsen sind, aber wir alle auch andere Interessen und Hobbies haben, kreist Adrian wie ein Planet nur um das eine Zentralgestirn, und das hat die Form einer afrikanischen Schnabelbrustschildkröte oder was weiß ich, welches exotische, möglichst seltene und nahezu nicht zu beschaffende, geschweige denn zu haltende Tierchen gerade Ziel seiner Begehrlichkeit ist. Würde ich ihn jemals fragen, wie es seinen Viechern geht, er würde mich mit seinen Blicken töten, weil ich es gewagt hätte, sein Allerheiligstes despektierlich als “Viecher” zu bezeichnen. Das ist (am Rande bemerkt) übrigens hier im Süden lang nicht so abschätzig konnotiert wie im hohen Norden. Vielleicht würde ein nicht endender Vortrag folgen – Adrian kennt nur ein Thema, das aber gewaltig – und ich stünde in der Gefahr, Rettung nur noch in Morpheus Armen zu finden. Daher frage ich ihn gar nicht erst.Seit heute weiß ich, dass Adrian daheim ein knallhartes Regiment führt, obwohl er gar nicht so dominant wirkt. Er weiß, was er will, er weiß es zu artikulieren und er weiß, seine Anforderungen an seine Mitmenschen durchzusetzen.
Niemand darf in Adrians heimischem Garten rauchen. Das ist absolut und unter Todesstrafe verboten. Dabei geht es nicht etwa um die Gesundheit des Rauchers oder seiner Mitmenschen. Adrian toleriert Raucher notgedrungen, aber man hat geht gefälligst vor die Tür vor‘s Haus zu gehen– und nicht auf die Terrasse oder etwa in den Garten. Denn dort hat er einen Teil seiner heiß geliebten Schildkrötenherde untergebracht. Ihretwegen herrscht striktes Rauchverbot, das übrigens auch Adrians Eltern gilt, obwohl denen Haus und Garten gehören, und damit eigentlich das Sagen hätten. Haben sie aber nicht.
So wurde es mir erzählt, und genauso stelle ich es mir vor. Die wiederholte Versicherung, „echt jetzt, kein Schmarrn”, derer, die mir die Story erzählen, hätte es gar nicht gebraucht. Der Grund für dieses rigide Reglement ist allerdings nicht, was an sich schon bizarr wäre, dass die Edeltiere vielleicht einige Mikropartikel Tabakqualm einatmen könnten. Das ist Adrians Sorge nicht.
Nein: Adrian ist sich sicher, dass die Schildkröten die Glut sehen und den Rauch riechen. Jetzt wissen wir seit Johann Heinrich Zedlers großem und vollständigem Universallexikon von 1732, „dass das Gehirne der Schildkröte trefflich klein ist“. Blöde, wie Tauben sind also auch Adrians Tiere. Vielleicht glauben sie, meint jedenfalls Adrian, dass der Glimmstängel und der wohlriechende Tabakduft Zeichen eines nahenden Waldbrandes sind und verfallen in Todesängste. Woher sollten die Viecher auch wissen, dass nur der Herr Vater und der nette Nachbar sich auf eine Kippe zurückgezogen haben?
Die Angst vor der lodernden Savanne würde sie panisch machen. Und den Stress – so wird mir erzählt – will Adrian seinen Tieren nicht zumuten. Feuerübungen wie weiland in Schulzeiten wurden bisher nicht veranstaltet und Evakuierungspläne scheinen nicht vorzuliegen. Da kann man es angesichts eines Zigarettchens tatschlich mit der Angst zu tun bekommen…
In fröhlicher Runde fragen wir uns, wer denn eigentlich in einem solchen Szenario derjenige ist, dessen Gehirn so trefflich klein ist. Die Schildkröten können es nicht sein. Zur Bestätigung meiner Behauptung verweise ich auf meine eigenen Schildkröten, die völlig ungerührt bleiben, wenn wir im Garten keine fünf Meter entfernt auf Echtholz saftige Rinderlappen grillen. Feuer, Rauch, verbrennendes Fleisch interessiert sie einen feuchten Dreck, zumindest löst das weder Panik noch Fluchtreflexe oder angstbedingte Scheißerei aus.
Wenn’s die Schildkröten nicht sind, wer dann?
Vielleicht die Eltern?
Gut möglich, ich kenne die Leute nicht.
Aber würden Sie sich in ihrem eigenen Garten von Ihrem Sprössling mit einer solchen Begründung das Rauchen verbieten lassen? Ich nicht. Im Gegenteil.
Gut, dann sind wir uns einig.
Es gibt eigentlich keinen Grund, mit dem Rauchen zu beginnen. Aber das wäre einer…
Text und Bilder: Lutz Prauser. Alle Rechte beim Autor
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Diese und 65 weitere Geschichten (in denen es aber nicht weiter um Schildkröten geht) finden Sie in dem Buch RENATE UND DAS DIENSTAGSARSCHLOCH.
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Vielen Dank an das Team von ‚Testudowelt’für all die tollen Beiträge.
Die schildi-ranch wünscht Allen ein ruhiges Weihnachtsfest und einen gesunden Rutsch ins Neue Jahr.
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Köstlich, lieber Lutz.
Her mit dem Buch.
Ich werden auf dem Weg nach Berlin zum Schildkrötentreffen im März daraus gern vorlesen.
Hab Dank im Namen der Schildkrötenfreunde
„Europäische Landschildkröten“ bei FB für deine tollen Beiträge.
Wir freuen uns schon auf Testudowelt in 2015
Bis dahin ein Schönes Weihnachtsfest.
Petra