Das Grauen hat einen Namen: Wegschnecken – Teil 1

Das Grauen hat einen Namen: Wegschnecken – Teil 1 – TESTUDOWELT
Das Grauen hat einen Namen: Wegschnecken – Teil 2 – TESTUDOWELT
Das Grauen hat einen Namen: Wegschnecken – Teil 3 – TESTUDOWELT

Gärtner wie Schildkrötenhalter stöhnen derzeit gleichermaßen über eine regelrechte Invasion der spanischen Wegschnecken (fälschlicherweise oft als Nacktschnecke benannt), die nach den vergangenen Regentagen eingesetzt hat. Während die einen sich um Studentenblumen, Salatsetzlinge und Gurken sorgen, die von den Schnecken regelrecht niedergeraspelt werden, haben die anderen das Problem, dass Schnecken in großer Zahl die Schildkrötengehege bevölkern – mit der Folge, dass sie von Europäischen Landschildkröten gefressen werden.

Rote Wegschnecke. Foto: Ricarda Schramm
Schnirkelschnecke in einem sardinischen Habitat.
Foto: Lutz Prauser

Zwar sind alle Arten der Europäischen Landschildkröten grundsätzlich Pflanzenfresser, eine Schnecke oder einen Regenwurm verschmähen sie aber trotzdem nicht. Im Gegenteil, sie verzehren diese Tiere mit großem Heißhunger und Appetit, ganz so vegetarisch/herbivor veranlagt also scheinen sie nicht zu sein. Auch gibt es zahlreiche Beobachtungen von Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen vom Aas verendeter Tiere gefressen haben.  Daher wird unter Schildkrötenhaltern, Tierärzten und Biologen intensiv darüber diskutiert, ob die europäischen Testudo-Arten überhaupt zu den reinen Pflanzenfressern gezählt werden können oder nicht. Die Schildkröten stört das wenig, sie fressen, was sie wollen – und genau da liegt das Problem. Viele Halter sind verunsichert und besorgt, wenn sie ihre Schildkröten mit einer Schnecke im Maul erwischen.
Der so oft gern in die Debatten geworfene Hinweis, man solle sich an der Lebensweise der Tiere im Habitat orientieren, hilft nicht wirklich weiter: Zwar gibt es in den mediterranen Lebensräumen auch Schnecken, allerdings ist ihre Verbreitung dort wesentlich geringer. Viele Arten fehlen ganz. Das hat schlicht mit den dortigen klimatischen Verhältnissen, also der Wärme und der Trockenheit zu tun. Ganz anders bei uns, und damit offenbart sich einmal mehr, dass die natürlichen Lebensbedingungen in den Gartengehegen nur bedingt simuliert werden können.

Was aber ist nun so schlimm daran, wenn Europäische Landschildkröten Wegschnecken fressen?
Was für viele fleisch- und damit schneckenfressende tropische Schildkrötenarten lebensnotwendig ist, ist für Europäische Landschildkrötenarten zumindest sehr problematisch: Die geballte Ladung tierisches Eiweiß, die sie mit dem Verzehr von Tieren, insbesondere von Schnecken zu sich nehmen.
Es lässt sich wohl nie konsequent verhindern, dass Schildkröten mal auf die eine oder andere Schnecke treffen und diese fressen, wenn man seine Tiere in einem Gehege im Garten hält. Ebensowenig lässt sich verhindern, dass sie den einen oder anderen Wurm fressen oder auch ein paar Insekten wie Blattläuse. Das ist sicherlich auch kein Problem. Zu einem solchen wird es erst, wenn die Menge des tierischen Eiweißes in der Nahrung zu hoch wird. Und das geschieht genau dann, wenn Schnecken in großer Zahl durch das Gehege kriechen:

Als Bewohner trockener Gegenden können Landschildkröten den Harn stark konzentrieren um Wasser zu sparen. Gerade deswegen dürfen Landschildkröten, so gerne sie es auch würden, kein tierisches Eiweiß fressen…. erklärt der Düsseldorfer Tierarzt Kornelis Biron auf seiner Internetseite. Tierisches Protein aber verursacht ein Übermaß an giftigen Substanzen, die dann als Harnsäurekristalle (Urat) im Schildkrötenkörper abgelagert werden. Es kommt zu Blasensteinbildung und zur Viszeralgicht, also der Uratablagerung in der Leibeshöhle und den Organen, sowie zur schmerzhaften Gelenkgicht.
Auch über die vielfältigen Folgen der Gicht klärt Biron auf: Die Schildkröte lahmt und stellt die Futteraufnahme ein. Durch die Verstopfung der Nieren mit Harnsäurekristallen, werden diese vergrößert und verlieren ihre Funktion. Das Blut der Schildkröte kann nicht mehr von giftigen Substanzen befreit werden, und das Tier stirbt. Ein typisches Anzeichen ist eine Lahmheit in den Hinterbeinen, der Panzer liegt auf und verursacht oft dabei noch schwere Scheuerverletzungen. Dies kommt daher, dass die vergrößerten Nieren einen Nerv abdrücken, der die Hintergliedmaßen versorgt.

Gicht und Nierenerkrankungen lassen sich kaum effizient therapieren: Eine manifeste Gicht ist leider nicht mehr heilbar, allerdings können je nach Stärke der Erkrankung die Symptome mit medikamenteller Therapie so gelindert werden, dass das Tier wieder Lebensqualität hat. Wichtig ist hierbei, nicht nur Medikamente und Infusionen zu geben, sondern auch die Haltung und Fütterung dementsprechend umzustellen,
erklärt Tierärztin Dr. Nathalie Steidele in einem Interview zum Thema Gicht, das auf TESTUDOWELT veröffentlicht wurde. Nun bedeutet es nicht, dass eine Europäische Landschildkröte, wenn sie mal eine Schnecke gefressen hat, gleich an Gicht erkranken wird, aber generell gilt: Je weniger tierisches Protein die Tiere zu sich nehmen, um so besser ist es. Interessanterweise sind männliche Tiere erheblich gichtanfälliger, wie Tierärztin Petra Kölle in ihrem Buch Die Schildkröte – Heimtier und Patient ausführt. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass weibliche Tiere eine höhere Zufuhr von Protein in die Produktion von Eiern umsetzen können, während bei den männlichen Tieren überschüssiges Protein in Form von Harnsäure anfällt und gegebenenfalls in den Nieren abgelagert wird, so Petra Kölle.

Zusätzlich zu der Gichterkrankung kommt, dass die Schnecken, wenn sie gefressen werden,  immense Schleimmengen absondern, die das Maul der Schildkröte verkleben und sie beim Fressen wie auch Atmen behindern können. Das muss nicht zwangsläufig so sein, aber gerade kleine Tiere können hier erhebliche Probleme bekommen. Für junge Schildkröten kann dieser Schleim tödlich sein und zur Erstickung führen, wie verschiedentlich von Haltern im Netz berichtet wird. Erfahrene Schildkrötenhalter raten, wenn sie Tiere entdecken, die gerade eine Schnecke fressen, diese zu entfernen, den Schleim vorsichtig abzuwischen, unter Umständen auch dünnen schwarzen Tee oder warmes Wasser auf den Schleim zu träufeln, um ihn zu lösen.

Feuchte Erde, tiefhängende Blätter. Für Wegschnecken ein Paradies.
Foto: Lutz Prauser

Was also tun?
Da Schildkröten sich nicht davon abhalten lassen können, Schnecken zu fressen, bleibt den Haltern nichts anderes übrig, als diese möglichst wirkungsvoll zu bekämpfen. Da geht es den Tierhaltern ähnlich wie den Gärtnern, die um ihre Ernte und ihre Blumen bangen. Ein erster Schritt besteht darin, ein Schildkrötengehege für Wegschnecken nicht unnötig attraktiv zu machen. Schon bei der Anlage des Geheges kann man darauf achten, dass Gestaltungselemente wie Holzstücke, flache Steine, Blumentöpfe u.ä. nicht so arrangiert werden, dass sie auch von den Wegschnecken als willkommene Eiablageplätze angesehen werden, es sei denn, man will sie gezielt als Absammelstelle nutzen. Mehr Empfehlungen halten Gartenratgeber bereit: …gießen Sie Ihre Pflanzen möglichst nur am Morgen punktuell und gezielt in Bodennähe. Beregnen Sie Ihren Garten nur in Ausnahmefällen großflächig. Schnecken bestehen zu 85 Prozent aus Wasser und sind in feuchter Umgebung besonders vital und beweglich.
Humusarme, schwere Böden bilden bei anhaltender Trockenheit schnell Trockenrisse. Diese sind für Schnecken ideale Verstecke und begehrte Eiablageplätze. Sorgen Sie deshalb für eine feinkrümelige Bodenstruktur, indem Sie regelmäßig Kompost einarbeiten und schwere Böden bei Bedarf mit Sand abmagern. Wenn Sie im Sommer häufig hacken, trocknet die obere Bodenschicht aus und schränkt den Aktionsradius der Schecken ein, 
empfiehlt das Magazin Mein schöner Garten. Das Einarbeiten von Kompost lässt sich als Empfehlung für Schildkrötengehege sicher nicht übernehmen, aber das Auflockern und Einarbeiten von Sand in schwere Böden ist sicher ein guter Tipp.
Damit ist im Prinzip auch beschrieben, was den natürlichen Lebensraum von Schildkröten ausmacht: Es geht darum, möglichst trockene und nährstoffarme Böden zu schaffen. Nun lässt sich an der Menge der Niederschlägen relativ wenig ändern, es fragt sich auch, ob es sinnvoll und praktikabel ist, ein Gehege teilweise zu überdachen. Allerdings kann man bei der Gestaltung der Gehege versuchen, schnell trocknende Böden zu schaffen und auf allzu große Schattenflächen verzichten, in denen sich Feuchtigkeit lange halten kann. Unter Umständen helfen Kiesdrainagen oder -flächen dort, wo die Bodenfläche im Gehege besonders feucht ist. Auch Pflanzen mit tief herunterhängenden Blättern und Bodendecker, die Schutz- und Versteckmöglichkeiten für Schnecken bilden, sollten nicht gerade in in den feuchten, schattigen Gehegeecken eingesetzt werden.

Trotzdem scheint es gerade dieses Jahr eine wahre Explosion an Wegschnecken zu geben. Daher müssen viele Schildkrötenhalter den Kampf gegen Schnecken aufnehmen. Es gibt endlos viele Methoden, wie man das bewerkstelligen kann. Einige sind mehr oder weniger wirkungsvoll bzw. für Schildkrötenhalter sinnvoll.  In Teil 2 und Teil 3, der in Kürze erscheinen, stellen wir Ihnen diese Methoden gesammelt vor.

Text: Lutz Prauser

 

3 Kommentare



  1. Ich zitiere mal deinen Wikipedia-Link: „Die Spanische Wegschnecke […] ist eine 8 bis 12 Zentimeter lange Nacktschnecke.“
    Das passt nicht so ganz zu „fälschlicherweise oft als Nacktschnecke benannt“ … es ist eben doch eine Nacktschnecke.

    Ansonsten guter Artikel.


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