Im Prinzip ist die Aussaatzeit für Gehegebepflanzung jetzt vorbei. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Denn es gibt ja auch die Kaltkeimer.
Wobei Botaniker und Gärtner auch noch zwischen Kühlkeimern und den eigentlichen Kaltkeimern unterscheiden, die wir hier aber zusammenfassen.
Was sind Kaltkeimer?
Kaltkeimer werden oft noch unter der alten Bezeichnung Frostkeimer geführt. Die Samen der Kaltkeimer benötigen eine Kältephase, damit sie besser und gleichmäßiger keimen können. In den Wochen mit frostigen Temperaturen werden keimhemmende Substanzen umgebaut. Erst danach, sobald es dann wärmer wird und der Frühling beginnt, trauen sich die Keimlinge aus der Schale informiert die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.
Kaltkeimern ist eines gemeinsam: Ihre Heimat liegt in winterkalten Regionen, in den Bergen oder ihre Samen reifen sehr spät im Jahr. Verantwortlich für ihr Keimwachstum sind zwei Hormone, die von Umweltfaktoren beeinflusst werden. Bei Kaltkeimern ist der erste wichtige Umwelteinfluss die Feuchtigkeit. Nur wenn der Samen aufgequollen ist, reagiert er auf Einflussfaktor Nummer zwei, die Temperatur. Ist es feucht und anschließend kalt genug, entwickelt sich aus dem Samen der Keim.
Die Liste der Kaltkeimer ist lang, nicht jede Art ist als Futterpflanze geeignet. Zu den Futterpflanzen bzw. Gehegepflanzen unter den Kaltkeimern, die man durchaus ins Gehege säen kann, gehören Akelei, Acker-Witwenblume. Barbarakraut, Bergflockenblume, Dornige Hauhechel, Echter Eibisch, Fingerkräuter, Gewöhnliches Leinkraut, Klappertopf, Große Klette, Kletten-Labkraut, Kornblume, Kuckucks-Lichtnelke, Mädesüß, Mittlerer Wegerich, Mauretanische Malve, Moschus-Malve, Natternkopf, Distel, Erdbeerbaum, Fetthenne, Funkien, Glockenblumen, Hibiskus, Lavendel, Platterbse, Primeln, Rauke, Rosengewächse, Rote Lichtnelke, Salbei, Stockrose, Veilchen, Weidenröschen, Wilde Möhre, Wiesenkerbel.
Wie sät man Kaltkeimer?
Obwohl Kaltkeimer erst nach einer Kältephase keimen, ist es doch ratsam, die Samen schon frisch und kurz nach der Samenernte zu säen, also im Herbst. Eine Aussaat ist aber auch im Spätherbst oder im zeitigen Frühjahr möglich. Die Samen können in ein vorbereitetes Saatbeet, Saatschalen oder einen vorbereiteten Bereich im Schildkrötengehege gesät werden. Wichtig ist, gutes Vermehrungssubstrat zu verwenden, nährstoffreiche und grobe Erde eignet sich nicht. Vermehrungserde ist fein und nährstoffarm. Die meisten Wildpflanzen sind Lichtkeimer, deshalb dürfen dann die Samen nicht mit Erde bedeckt, sondern nur angedrückt werden. Die eher seltenen Dunkelkeimer, Beispiel Moschus-Malve, werden auch nur samendick mit Erde bedeckt. Wichtig ist es nun, in den kommenden Wochen die Saat nicht austrockenen zu lassen, eine gleichmäßige Feuchtigkeit ist wichtig. Am Besten verwendet man eine Sprühflasche oder gießt von unten in den Untersetzer, damit die Samen nicht wegschwemmen. Saatkisten deponiert man am besten in einem Frühbeetkasten oder in einem Kleingewächshaus, das haben Schildkrötenhalter in der Regel ohnehin im Gehege. Hier sind bei der Überwinterung die Temperaturunterschiede nicht so stark, Dauernässe wird nicht zum Problem. Temperaturen von -4°C bis +4°C sind für die meisten Kaltkeimer ideal. Im Freien begünstigt allerdings eine Schneeschicht im Winter die spätere Keimung im Frühjahr, da der schmelzende Schnee die Samenschale porös macht. Oft wird das Einfrieren der Samen empfohlen, doch für manche Arten bedeutet das den Tod. In der Natur ist ein so starker Temperatursturz nicht möglich.
Im Frühjahr, wenn die Temperaturen steigen, setzt die Keimung ein und kann sich über mehrere Wochen erstrecken. Bei manchen Arten braucht es bis zur Keimung sogar mehrere Jahre.
Wenn man direkt im Gehege sät, muss man beachten, eine ausreichende Saatgut-Menge auszubringen, da hierbei ein großer Teil des Saatgutes und der Keime von Tiere gefressen wird oder von Mikroorganismen zersetzt wird. Sinnvoll ist es die Samen und Keimlinge zumindest vor Vogelfraß zu schützen.
Auch Schildkröten sind natürlich ein „Fressfeind“ für die Keimlinge im zeitigen Frühjahr, sofern es sich um Futterpflanzen handelt. Hier sollten Sie geeignete Schutzmaßnahmen treffen, damit sich die Pflanzen zunächst entwickeln können. Dazu können abgetrennte Gehegebereiche gehören, oder Drahtkörbe über den Pflanzen. Auch aus alten Eimern lassen sich wunderbar Plastikringe schneiden, die die Pflanzen vor den hungrigen Panzerträgern schützen. Selbst eine alte, defekte Regenwassertonne kann, zurecht geschnitten, einen Fraßschutzwall bilden.
Der Phantasie und der Kreativität sind dabei wenig Grenzen gesetzt.
Lohnenswerte Informationen über Futterpflanzen, Wildkräuter, wilde Samen etc. finden Sie auch auf der Seite der Schildkrötenhalterin Ricarda Schramm: http://www.schildkroeten-wildkraeuter.de/wilde-samen.html. Dort finden Sie auch Kulturanleitungen.
Text und Fotos: Lutz Prauser