Nachgefragt beim Tierarzt: Entwurmung

In unserer Reihe „Nachgefragt beim Tierarzt“ geht es dieses Mal um ein Dauerthema bei Schildkrötenhaltern: Entwurmung. Was ist richtig? Was ist falsch? Was muss man beachten? Wann muss man sich Sorgen machen? Fragen über Fragen, die jedes Jahr gerade die Einsteiger beschäftigt. Tierarzt Frank Mittenzwei gibt Auskunft:

1. Welche im Volksmund „Würmer“ genannten Parasiten kommen bei Schildkröten vor?

Ein Madenwurm unter dem Mikroskop.

In den allermeisten Fällen, wenn Halter von „Würmern bei Schildkröten“ sprechen, sind sogenannte „Oxyuren“ gemeint. Wissenschaftlich gehören diese zu den Nematoden. Es sind über 150 parasitär lebende Arten bekannt. Neben Landschildkröten sind häufiger auch pflanzenfressende Echsen betroffen. Im Gegensatz zu anderen Würmern ernähren sich Oxyuren von Darminhalt und schädigen ihren Wirt daher nur indirekt.
Wichtig: Durch ihren direkten Lebenszyklus können sich Oxyuren schnell in befallenen Tieren anreichern. Dies kann nachfolgend zu ernsthaften Erkrankungen führen!
Neben Oxyuren kommen bei Landschildkröten noch eine große Vielzahl an andern „Lebewesen“ (z.B. andere Wurm-Arten oder Einzeller) im Verdauungstrakt vor! Nur durch eine genaue Analyse der als Darmflora bezeichneten Lebensgemeinschaft kann ein mögliches Krankheitsrisiko beurteilt werden!

2. Woran erkenne ich, ob meine Schildkröten unter diesen Parasiten leiden?

Bei einem stärkeren Befall mit Oxyuren werden unregelmäßig große Mengen an Würmer mit dem Kot ausgeschieden. Diese sind dann ohne Hilfsmittel sichtbar.
Vorsicht: Verwechslungsgefahr mit harmlosen Boden-Nematoden, die insbesondere bei im Freiland gehaltenen Schildkröten durch Einwandern im Kot sichtbar sein können!
Grundsätzlich muss bei allen unspezifischen Symptomen wie ständig zu weicher Kot, Gewichtsverlust und Apathie auch an einen Befall mit Darm-Parasiten gedacht werden!

3. Welche Maßnahmen sollte ich sofort ergreifen?

Grundsätzlich müssen alle Tiere, die auch nur verdächtige Krankheitssymptome zeigen, unverzüglich einzeln in eine Quarantäne-Haltung überführt werden. Dabei sind die artspezifischen Klima-Parameter beizubehalten! Der ausgeschiedene Darminhalt sollte möglichst frisch und rasch von einer qualifizierten Einrichtung (z.B. Fachtierarzt für Reptilien, anerkanntes Labor) untersucht werden. Hilfreich ist die vorherige Kontaktaufnahme, um offene Fragen (z.B. zum Versand oder zur Aufbewahrung) klären zu können!

4. Wie dringend ist ein Tierarztbesuch?

Ein Askariden-Ei (Spulwurm) unter dem Mikroskop

Bei weitgehend unauffälligem Allgemeinbefinden („Normal-Verhalten“) genügt ein Tierarztbesuch in der nächsten Sprechstunde. Dabei sollte eine frische Kotprobe mitgebracht werden. Im Zweifel ist eine telefonische Kontaktaufnahme mit einem Spezialisten sinnvoll.

5. Wie wird ein Befall vom Tierarzt festgestellt?

Eine Kotuntersuchung gibt Aufschluss über den Parasiten-Status. Dazu sind in der Regel mehrere unterschiedliche Verfahren notwendig. Diese sind in der Praxis durchführbar. Manche Untersuchungen können allerdings nur in spezialisierten Laboren erfolgen! Der Umfang der Untersuchung wird in Absprache zwischen Tierarzt und Besitzer festgelegt.

6. Wann ist eine Behandlung nötig und wann nicht?

Ciliata (Wimperntierchen) unter dem Mikroskop

Das Ergebnis der Kotuntersuchung ist die Grundlage für das weitere Vorgehen.
Es ist sinnvoll planmäßig vorzugehen. Dazu gehört die Information über die allgemeinen Haltungsbedingungen seitens des Halters genauso wie die Beurteilung des Parasitenbefalls durch den Tierarzt. Es gilt zu bewerten, ob z.B. eine u. U. mehrfache Behandlung den dadurch hervorgerufenen Stress für das Tier gerechtfertigt. Das Ergebnis ist ein Behandlungsplan, der strikt befolgt werden muss!

7. Wie behandelt der Tierarzt und wie sind die Aussichten auf Erfolg?

Es gibt sehr unterschiedliche Behandlungsmethoden. Diese reichen von der Eingabe über das Maul und Injektionen bis hin zu Spot-on-Behandlungen. Je nach Art der Parasiten und nach dem allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten.
Eine erfolgreiche Behandlung besteht darin, die Parasiten-Bürde so gering wie möglich zu halten. Die vollständige Entfernung aller Parasiten-Stadien (Eier, Larven, Adulti) wäre unter anderm durch die sehr lange Quarantänezeit weder tier(schutz)gerecht noch medizinisch notwendig!

8. Ist eine prophylaktische Entwurmung einmal im Jahr, wie zum Beispiel bei Hunden, sinnvoll?

Eindeutig: Nein! Da die Entwurmung durch den Medikamenteneinsatz eine therapeutische Maßnahme darstellt, wäre demzufolge eine prophylaktische Entwurmung eine „vorbeugende Therapie“ – und die ist medizinisch absolut unsinnig, ja oftmals sogar schädlich! Ebenso gibt es mehr als ein mögliches Medikament gegen mehr als eine mögliche Parasitenart. Daher kann eine sinnvolle Therapie nur nach vollständiger Diagnostik und einem vorher aufgestellten Behandlungsplan erfolgen!

9. Ist es sinnvoll, auch ohne Symptome eine Kotuntersuchung durchführen zu lassen? Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?

Da die meisten Darmparasiten von Landschildkröten einen direkten Wirtszyklus aufweisen, ist eine vollständige Elimination nahezu unmöglich- aber meistens auch nicht notwendig (s.o.)! Es gilt- bei möglichst optimalen Haltungsbedingungen- stets einen aktuellen Überblick über den Parasitenstatus seiner Schützlinge zu haben. Dazu werden in festgelegten regelmäßigen Abständen Kotuntersuchungen durchgeführt. Die zeitlichen Abstände richten sich u.a nach der Besatzdichte im Gehege, der Art der Parasiten und nach dem allgemeinen Gesundheitszustand der Tiere.
Wichtig: Da für eine Behandlung in der Regel ein Zeitraum von ca. vier Wochen bis zur Nachkontrolle benötigt wird, sollten Kotuntersuchungen spätestens Ende August durchgeführt werden, um keine zeitliche Enge vor der Winterruhe zu riskieren!

10. Was kann ich tun, um eine wiederholte Ansteckung meiner Tiere zu verhindern?

Eine Neu-Ansteckung bzw. eine erneute Ansteckung kann bei- in Freiland gehaltenen- Schildkröten jederzeit erfolgen- z.B. auch über Ausscheidungen von anderen Tieren! Deshalb ist es so wichtig, den Parasitenstatus seiner Tiere regelmäßig überprüfen zu lassen (s.o.) Neben der Behandlung eines Einzeltieres kann auch die „Desinfektion“ des gesamten Geheges sinnvoll sein. Dazu sind aber genaue Planungen und Absprachen mit einem spezialisierten Tierarzt notwendig!

TA Frank Mittenzwei (ZB Reptilien)
Am Pflaster 27
63599 Biebergemünd-Bieber
Tel. 06050-3300
E-Mail: frank.mittenzwei@web.de

 

Einen herzlichen Dank an Petra Mederer für die Bereitstellung der Mikroskop-Fotos.

5 Kommentare



  1. Schildkröten, welche im Freiland gehalten werden haben immer Würmer, wie soll das auch verhindert werden? Die Oxyuren in Schildkröten sind wirtsspezifisch.

    Es geht darum nur einem zu starken Befall, welcher die Tiere auch schädigen könnte, entgegen zu wirken.
    Tiere mit + oder ++ Befall würde ich z.B. nicht entwurmen.


  2. Sehr geehrte Frau Krüger,

    vielen Dank für ihren Kommentar! Gerne gehe ich auf ihre Fragen ein:
    – Meistens werden Oxyuren bei Landschildkröten nachgewiesen, Ascariden kommen deutlich seltener vor! Es gibt ca. 150 Arten von Oxyuren, wobei diejenigen der Schildkröten als wirtsspezifisch gelten. Die Befallsstärke kann bei über 60.000 Exemplaren pro Tier liegen!
    – Die Entwicklung von Ei zu Ei dauert in der Regel 30-40 Tage. Der Übertragungsweg auf Schlüpflinge ist wissenschaftlich nicht gesichert.
    – Gelegentlich erfolgen Parasiten-Infektionen durch aufgenommen Kot von z.B. Vögeln oder Nagern. Diese sind in der Regel unproblematisch.
    – Letztendlich sind die Haltungsbedingungen für das Wirt/Parasit-Gleichgewicht entscheidend: Je naturnäher die Haltung- desto weniger Parasiten-Probleme! Im Sinne einer art-und tierschutzgerechten Pflege müssen die Haltungsparameter „optimal“ sein- unabhängig von den „Möglichkeiten“ des Tierhalters…

    Mit freundlichem Gruß,

    TA F. Mittenzwei


  3. Sehr geehrter Herr Mittenzwei,

    danke für Ihre interessanten Ausführungen. Zu Ihrer folgenden Aussage habe ich einige Fragen und würde mich freuen, wenn Sie sie beantworten würden. Das interessiert bestimmt auch noch viele andere Schildkrötenhalter.

    „Eine erfolgreiche Behandlung besteht darin, die Parasiten-Bürde so gering wie möglich zu halten. Die vollständige Entfernung aller Parasiten-Stadien (Eier, Larven, Adulti) wäre unter anderm durch die sehr lange Quarantänezeit weder tier(schutz)gerecht noch medizinisch notwendig!“

    Verstehe ich Sie richtig, Ziel der Behandlung ist es nicht, das Tier wirklich parasitenfrei zu bekommen, sondern zeitweise bzw. möglichst langfristig das Befallsniveau zu senken? Das heißt im Umkehrschluss, die Tiere sind normalerweise nie wirklich frei von Parasiten. Werden später wieder Würmer nachgewiesen, so braucht das keine erneute Ansteckung darzustellen, sondern kann auch auf eine Vermehrung des ohnehin noch vorhandenen restlichen Befalls zurück gehen?

    Wenn keine Verbesserung der Haltungsparameter mehr möglich ist, ist dieser Wiederanstieg ja eigentlich vorprogrammiert. Wie groß ist die Zeitspanne, nach der das vorherige Befallsniveau mit Oxyuren bzw. mit Ascariden wieder zu erwarten ist bzw. wie lang ist der Generations-Zyklus bei Oxyuren/Ascariden von Ei zu Ei, übliche Schildkröten-Körpertemperaturverhältnisse vorausgesetzt?
    Sind Schildkrötenwürmer wirtsspezifisch oder kann sich eine Schildkröte auch bei anderen Tieren anstecken, wenn ja, an welchen Arten?
    Schlüpft die Schildkröte bereits infiziert aus dem Ei?

    Freundliche Grüße,

    Editha Krüger

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