Akelei – Ja oder nein?

Akelei im Schildkötengehege?

„Akelei? Das ist doch nicht Euer Ernst. Ihr müsst doch wissen, dass die giftig sind! Wie könnt Ihr die denn als besondere Pflanze für Schildkröten empfehlen?“

Auf diese Reaktion, die sicher von unseren Lesern kommen wird, sind wir vorbereitet. Die Akelei gehört zu den Pflanzen, über die es Jahr für Jahr Diskussionen in Schildkrötenforen gibt. Und in den allermeisten Fällen wird den Hilfesuchenden geraten, die Finger von dieser Pflanze zu lassen. Grund für uns, dieser Frage gezielt nachzugehen:  Kann man, soll man, darf man Akelei verfüttern? Oder sollte man sie mit Stumpf und Stiel aus dem Gehege herausreißen, wenn sie sich dort ausgesät haben sollte?

Tatsächlich stößt man im Internet auf weit über tausend Seiten, wenn man die Suchbegriffe „Akelei+Schildkröten+giftig“ eingibt. Allerdings gehen die Meinungen stark auseinander. Eva Knon führt sie auf ihrer Internetseite www.t-hermanni.de als giftig auf. Ricarda Schramm schreibt in ihrem Buch Landschildkröten-Futterpflanzen über die Akelei: Die Blätter stehen als Futter auch im Winter zur Verfügung. Von manchen Autoren wird sie als giftig eingestuft, die giftigen Inhaltstoffe reichern sich jedoch erst während und nach der Blüte in der Pflanze an. Meine Landschildkröten fressen seit Jahren die Blätter vor der Blüte ohne Anzeichen einer Schädigung.  
Ganz ähnlich äußert sich Marion Minch auf www.schildifutter.de: Die Akelei gilt für Säuger als giftig! Schildkrötenpfleger bestätigen jedoch immer und immer wieder, dass der Genuss der Blätter für Schildkröten ungefährlich ist. Meine Schildis fressen diese Blätter immer sofort nieder, wenn eine Pflanze im Gehege hochkommen will.  Da es zu den Hahnenfußgewächsen zählt, ist jedoch Vorsicht geboten und maximal bis zur Knospenbildung zu dulden, denn alle Hahenfußgewächse sind mehr oder weniger giftig.
Interessanterweise haben sich im Laufe der Jahre im Netz zwei „Schul“-Meinungen herausgebildet, die gebetsmühlenartig wiederholt werden, ganz unabhängig davon, ob diese Ratschläge sinnvoll sind oder nicht.

Weiße Zuchtform.

Akelei, so raten die Einen, könne man bis zur Blüte verfüttern, dann bilden die Pflanzen Giftstoffe aus. Die anderen empfehlen, die Pflanze gar nicht erst zu verfüttern und berufen sich dabei nicht selten auf das Standardwerk „Giftpflanzen“ von L. Roth, M. Daunderer und K. Kormann. Dort nämlich heißt es (4. Auflage, S. 137): Giftige Pflanzenteile: Die ganze Pflanze, besonders der Samen. Hauptwirkstoffe: Die Pflanze enthält blausäureabspaltendes Glycosid in geringer Menge. Möglichweise unterliegen die Wirkstoffe starken Giftschwankungen. Gefährlichkeitsgrad: Giftig+

Diese immer wieder zitierte Stelle ist eine der Ursachen dafür, die Pflanze ganz und gar als ungeeignet für Schildkröten erscheinen zu lassen. Zu Recht?

Auch Wolfgang Wegehaupt schreibt in seinem Buch „Futterpflanzen“: Das Hahnenfußgewächs ist als >giftig< eingestuft…. Säugetiere meiden die Pflanze wegen des bitteren Geschmacks. Dieser wiederum zieht die Schildkröten geradezu an. Schildkröten fressen alle Teile der Pflanze gerne.
Viele Schildkrötenhalter füttern die Pflanze bereits seit Jahrzehnten ohne Probleme. Vorsichtige Halter füttern nur das Kraut vor der Blüte.

Und auch Ricarda Schramm und Marion Minch berichten ja, dass von vielen Haltern diese Pflanze trotzdem verfüttert wird, ohne dass es zu Problemen gekommen wäre (s.o.). Was ist denn nun richtig?

Akelei im Garten außerhalb des Geheges.

Dass Akelei Giftstoffe enthält, ist unbestritten und untersucht. Allerdings beziehen sich alle Informationen über die Giftwirkung von Pflanzen aus dem oben zitierten Giftpflanzen-Buch auf Forschungsergebnisse an Säugetieren und Informationen von Krankenhäusern und Giftnotrufzentralen, also Vergiftungserscheinungen bei Menschen. Über die Giftigkeit der Pflanzen für wechselwarme Reptilien ist in diesem Buch nichts gesagt. Zwar möchte man meinen, dass Substanzen, die für Säugetiere giftig sind, wohl auch für Reptilien giftig sein müssen, dem ist aber nicht unbedingt so. Pflanzenfressende Schildkröten zermahlen und zerkauen ihre Nahrung nicht im Mund und spalten sie nicht durch starke Magensäuren in ihre Bestandteile auf. Die Verdauung erfolgt überwiegend durch Mikroorganismen in dem verhältnismäßig langen Darmtrakt. Damit stellt sich die Frage, ob diese Giftstoffe überhaupt aufgeschlossen werden bzw. ob sie, wie bei vielen dieser Stoffe, ihre Giftigkeit erst während der Verdauung entwicklen. Diese Frage ist noch nicht beantwortet.
Es gibt keine breit angelegten Studien oder Untersuchungen über die Giftigkeit einzelner Pflanzen für Schildkröten, allerdings eine große Zahl an Fallbeispielen, die von Haltern und Tierärzten beobachtet wurden. Ein Nachweis für die Giftigkeit der Akelei für Schildkröten fehlt jedoch bisher. Trotzdem wird von vielen Haltern wieder und wieder die Giftigkeit der Akelei hervorgehoben.

Zuchtformen in einem Gartencenter.

Diesem eingeforderten unbedingten Verzicht stehen die von Schramm, Wegehaupt, Minch und vielen anderen beobachteten Erfahrungen gegenüber: Viele Schildkröten bekommen Blätter der Akelei als Futter. Wichtig ist dabei immer, dass solche Pflanzen nicht über einen längeren Zeitraum ausschließlich gefüttert werden. Aber es gilt ohnehin allgemein, dass im täglichen Futter der Schildkröten für eine ausgewogene Ernährung möglichst viele verschiedene Pflanzenarten enthalten sein sollten. Ebenfalls nachzulesen in den Büchern der oben erwähnten Autoren.

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Akeleiarten erstreckt sich über die gemäßigten Klimazonen der Nordhalbkugel, in Europa ist sie in West-, Mittel- und Südeuropa verbreitet, auch in den Schildkrötenhabitaten. Auch hier können ihre Blätter von Schildkröten gefressen werden.

Die Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris), ist eine mehrjährige, krautige Pflanze. Sie erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 70 Zentimetern.  Die Laubblätter sind bläulich-grün, ihre Blütenfarbe kann, je nach Zuchtform von weiß bis tiefblau und lila reichen, darüber hinaus gibt es  Pflanzen mit blassvioletten und rosafarbenen Blüten. Die Blüten erscheinen in der Zeit von Mai bis Juni. In ihrer natürlichen Verbreitung wächst sie auf warmen, mäßig trockenen bis frischen, nährstoffreichen, gern kalkhaltigen, lockeren, steinigen, sandigen oder reinen Lehmböden. Von daher sind die Bedingungen, die die Akelei in unseren Breitengraden vorfindet, perfekt.
Das Pflücken, Ausgraben oder Besitzen wildwachsender Akeleien ist generell untersagt, ebenso wie ihre Standorte oder Bestände nicht betreten werden sollen. Alle Akeleien sind „besonders geschützt“ nach dem Bundesnaturschutzgesetz (Bundesartenschutzverordnung). Allerdings kann man in vielen Gartencentern die Gemeine Akelei günstig erweben und in seinen Garten pflanzen. Wer es nicht dem Zufall überlassen will, kann den Samen aus den getrockneten Samenkapseln herausholen und die Pflanze weiter aussäen. Irgendwann wächst sie dann – wenn sie nicht von Schildkröten gefressen wird – wie von selbst und verbreitet sich rasant.

Akelei-Blätter. Als Futter geeignet?

Persönliche Erfahrungen:

Ich füttere Akelei seit Jahren gerade im Frühjahr, wenn das Angebot an Futterpflanzen noch begrenzt ist in einem Mix mit anderen Pflanzen. Die schnellwachsenden Akeleien bilden viel Substanz, sodass meinen Tieren und mir die ersten Akeleiblätter für die Zufütterung sehr willkommen sind. In unserem Garten haben sich, nachdem wir zwei Pflanzen aus einem Gartencenter eingesetzt haben, innerhalb weniger Jahre zahlreiche weitere Pflanzen selbst ausgesät. Auch in unserem Schildkrötengehege wächst im zeitigen Frühjahr Akelei. Jedoch nur so lange, bis die Schildkröten aus der Überwinterung zurück sind. Dann werden die Pflanzen, noch bevor sie es zu einer nennenswerten Größe gebracht haben, mit Blatt und Stil aufgefressen. Das geht so schnell, dass sie gar nicht dazu kommen, Blüten auszubilden. Ich vertraue dem Instinkt meiner Tiere, dass sie Pflanzen, die für sie giftig sind, nicht fressen und habe bisher sehr gute Erfahrungen damit gemacht – zumal es an fressbarem Futter nicht mangelt. Ich habe auch im Habitat beobachtet, dass Giftpflanzen von Schildkröten einfach ignoriert werden, auch Efeu-Blätter werden höchstens probiert, dann aber ausgspuckt und nicht weiter gefressen. Das gilt jedoch nur für Pflanzen, die auch im natürlichen Verbreitungsgebiet der Schildkröten vorkommen.
Bei allem ist die Akelei in meinem Futterplan immer nur eine von vielen Pflanzen. Es ist sicherlich falsch, aus Bequemlichkeit wochenlang Unmengen von Akelei ins Gehege zu werfen, weil die Pflanze eben gerade in großer Menge Blätter gebildet hat und verfügbar ist und gleichzeitig auf andere Futterpflanzen so lange zu verzichten.

Von der Akelei, die im Frühjahr an dieser Stelle im Gehege gewachsen ist, ist nichts mehr zu sehen.

Ein Nachtrag:

Wir möchten Sie mit diesem Beitrag nicht verunsichern. Wenn Sie Akelei  oder andere heftig „umstrittene“ Pflanzen (wie z.B.  Ginster) nicht ins Gehege pflanzen wollen oder Pflanzenteile nicht als Futter anbieten wollen, ist das nachvollziehbar. Bitte tun Sie nur das, von dem Sie überzeugt sind, dass es richtig und gut für Ihre Tiere ist. Wenn Sie unsicher sind, holen Sie sich bitte Rat und Hilfe von erfahrenen Haltern. Aber bitte überprüfen Sie auch, ob die Informationen, die Sie bekommen haben, richtig sind. Nur weil sie von Hunderten nachgebetet wurden, müssen noch lange nicht alle Ratschläge richtig sein. Die Diskussion um die Akelei ist einmal mehr ein wunderbares Beispiel dafür, dass Informationen nicht besser werden, nur weil sie wiederholt und weitergegeben werden, weil der eine etwas vom anderen gelesen hat und wiederholt, ohne sich über den Wahrheitsgehalt Gedanken zu machen. Orientieren Sie sich an den Bedingungen im natürlichen Lebensraum Ihrer Schildkröten, dann sind Sie in jedem Fall auf dem richtigen Weg.

Text: Lutz Prauser & Ricarda Schramm. Fotos: Lutz Prauser

4 Kommentare


  1. Liebe Editha,

    herzlichen Dank für diesen hervorragenden Kommentar. Meiner Meinung nach liegt eine Wurzel des Problems in der unreflektierten, unkritischen und laienhaften Nutzung solcher Bücher:

    Ohne zu berücksichtigen, dass nichts, was dort über die Giftigkeit der Pflanzen steht, für Reptilien Gültigkeit haben muss, wurden (und werden) dieses Buch, seine Online-Übertragung und auch andere Bücher/I-Netseiten immer wieder zu Rate gezogen.
    Tatsächlich is die Akelei dort aufgeführt:


    Und es heißt, die ganze Pflanze, besonders die Samen seien giftig. Und weiter heißt es „die Pflanze enthält blausäureabspaltendes Glykosid“…
    Es ist nachvollziehbar, dass da erst mal die Alarmglocken schrillen… Nun ja, es heißt aber auch, dass der Autor als Säugling einen Teil eines Akeleistraußes gegessen habe, was lediglich zu Durchfall geführt habe.

    Addiert man zu diesen Buchaussagen die Angst von Haltern vor allem, was nur irgendwie im Verdacht stehen könnte, giftig zu sein, die bisweilen grotesk-hysterische Ausmaße annimmt und mit gesundem Menschenverstand und einem Grundwissen an Biologie nichts mehr zu tun hat, dann ist klar, wie solche Mechanismen entstehen. Aus lauter übertriebener Sorge, den armen Tierchen könnte irgendetwas Schreckliches passieren, werden Pflanzen, die auch im Habitat vorkommen, kategorisch als giftig eingestuft und aus den Gehegen verbannt (s. auch Ginster). Vorsicht ist ja besser alsNachsicht und man muss es ja nicht provozieren, heißt es dann gern.
    Dazu kommt, dass in den öffentlichen Diskussionen (Facebook, Foren) immer deutlicher wird, wie zunehmend verunsichert hilfesuchende Halter sind, welche Panik sie haben, dass sie nur ja nichts falsch machen, während auf der anderen Seite die wirklich langjährigen und versierten, erfahrenen Halter sich aus den Diskussionen oft zurückziehen und das Feld denen überlassen, die auch nur unreflektiert wiederholen, was sie anderswo aufgeschnappt haben. Und oft werden dann eben Internetseiten und Futterlisten zu Rate gezogen, in denen aus welchen Gründen auch immer Pflanzen als giftig eingestuft wurden, die es gar nicht sind.
    Leider gibt es zu wenig valide veröffentlichte Daten von Tierärzten und Haltern, die es mit tatsächlichen Vergiftungsfällen zu tun hatten und die Ursache dieser Vergiftungen identifizieren konnten.


  2. >>> Die Diskussion um die Akelei ist einmal mehr ein wunderbares Beispiel dafür, dass Informationen nicht besser werden, nur weil sie wiederholt und weitergegeben werden <<<

    Die Diskussion um die Akelei ist außerdem ein hervorragendes Beispiel dafür wie unlogisch die Diskussion um Giftpflanzen in der Schildkrötenszene insgesamt ist. Einerseits werden "Erfahrungswerte" einiger Halter mit dem Verfüttern von bestimmten Giftpflanzen akzeptiert. Anderseits wird nach wie vor vehement vor anderen Giftpflanzen gewarnt, sogar von Leuten, die Akelei verfüttern. Die Giftigkeit der anderen Pflanzen ist aber mit ganz wenigen Ausnahmen ebenfalls nur für Säugetiere nachgewiesen. Wie kamen die ersten Akelei-Verfechter dann ursprünglich auf die Idee die Giftpflanze Akelei anzubieten?

    Ich selbst habe seit mehr als 20 Jahren Erfahrung mit Landschildkröten, die im Sommer regelmäßig frei im ganzen Garten laufen und damit Zugang zu Giftpflanzen aller Art haben, Oleander, Rhododendren, Maiglöckchen, Efeu, Eibe etc. pp. Da die Tiere auf dem großen Areal auch ausreichend "gute" Wildkräuter zur Verfügung haben, interessieren sie sich entweder nicht für die genannten Giftpflanzen – was überwiegend der Fall ist – oder haben halt keine Probleme damit. Letzteres gilt z.B. für den Aronstab, dessen rote (reife) Beeren im Herbst regelmäßig in großer Menge aufgenommen werden, ohne irgendwelche erkennbaren Folgen.

    Aufgrund meiner Erfahrung bin ich der Überzeugung, dass Schildkröten ein angeborenes Wissen haben, was sie fressen können. Wohlgemerkt nicht anders rum, sie erkennen vermutlich keine Giftpflanzen als solche, wie sollte sich dieses Wissen auch vererben können? Die Tiere sterben ja und können sich damit nicht mehr fortpflanzen. Vielmehr dürften sie nach dem Schlupf potentielles Futter ihrer Region erkennen. Vielleicht geschieht diese "Prägung" durch die Futterpflanzen der Mutter, die im Ei bestimmte Aroma-Stoffe hinterlassen, ähnlich wie das in der Milch von Säugetieren geschieht. Nur wenn diese Vorzugs-Pflanzen nicht zur Verfügung stehen, versuchen die Tiere aus Hunger auch andere Pflanzen zu fressen, zunächst vorsichtig Biss für Biss. Wenn die dann zu keiner Magen-/Darmverstimmung führen, werden sie auch in größeren Mengen aufgenommen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum gewollte Futterumstellungen so langwierig sind.

    Ich möchte allerdings zum Abschluss noch einmal betonen: Voraussetzung dafür, dass ausgewiesene Giftpflanzen im Bereich von Schildkröten wirklich unproblematisch sind, ist dass die Tiere zusätzlich Zugang zu gerne gefressenem – völlig unproblematischem – Futter in ausreichender Menge haben. Das würde ich auch beim Verfüttern von Akelei beachten.

    Gruß, Editha



  3. Hallo,
    auch ich gebe meinen Tieren (seit Jahren) die Blätter vor der Blüte der Akeleien in meinem Garten. Im Gehege selbst stehen sie nicht. Sie sind nur ein Leckerbissen und werden niemals nur allein verfüttert. Im Gehege stehn genug andere Wildpflanzen.
    Danke für den interessanten Artikel und es ist ja kein Muß Akelei zu füttern.

    Gruß

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