Auch Gehege brauchen Kalk

Unter Gärtnern, Gemüse- und Obstbauern ist es eine Binsenweisheit, Gärten und Anbauflächen mit Maßen mit Kalk zu versorgen. Für Schildkrötengehege gilt es ebenso, zum einen sind sie Teil unserer Gärten, zum anderen ist das Einbringen von Kalk gerade in den Gehegen notwendig, wenn man die Bedingungen des Habitats Europäischer Landschildkröten nachahmen will.
Dass die Schildkröten permanenten Bedarf an Kalk haben, ist den meisten Haltern bekannt. Aber die Pflanzen und der Boden?

Warum kalken?
Schildkröten leben in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet auf kalkhaltigen, trockenen Böden. Die Beschaffenheit dieses Bodens sowie die Witterungsverhältnisse bringen es mit sich, dass bestimmte Pflanzen dort besser als andere wachsen. Das liegt in erster Linie nicht daran, dass sie für diese Böden die besseren Voraussetzungen als andere Pflanzen haben. Es ist eher umgekehrt: Andere Pflanzen kommen mit diesen Böden „schlechter zu recht“. Über das Prinzip dieser Zeigerpflanzen haben wir auf unserer Seite ebenfalls einen Beitrag.
Die meisten typischen Zeigerpflanzen für kalkhaltige, magere Böden gehören zu den begehrten Futterpflanzen unserer Schildkröten: Ackerglockenblume, Brennnessel, Hasenklee, Klatschmohn, Kohl-Gänsedistel, Löwenzahn, Taubenskabiose, Wegwarte und Wiesenknopf, um nur einige zu nennen. Natürlich darf man nicht den Umkehrschluss ziehen: Nicht alle Arten, die auf kalkhaltigen Magerböden gedeihen, gehören zwangsläufig zu den Futterpflanzen.
Es empfiehlt sich, den Boden des Schildkrötengeheges regelmäßig zu kalken, um einer Versauerung des Bodens vorzubeugen. Das ist vor allem sinnvoll, wenn man schwere humushaltige Lehmböden hat.
Diese Bodenversauerung ist ein natürlicher Prozess, gegen den man nichts unternehmen kann: Bei der Zersetzung abgestorbener Pflanzenteile, der Humusbildung, entstehen organische Säuren (Fulvosäuren). Gleichzeitig versauern die Böden durch die „Atmung“ der Wurzeln (Abgabe von Kohlensäure an das Erdreich) sowie die Abgabe weiterer organischer Säuren durch die Wurzeln.
Fortschreitende Bodenversauerung wirkt sich negativ auf den Wuchs der meisten Gehegepflanzen aus. Die betrifft insbesondere Pflanzen, die nur auf mageren Kalkböden gedeihen. Die Schäden sind vielseitig. Die Photosynthese („Atmung der Pflanzen“) nimmt ab, damit der Wuchs, der Aufbau der Biomasse. Pflanzen, die im sauren Milieu besser gedeihen, beginnen die gewünschten Futter- und Gehegepflanzen zu verdrängen.
Und noch etwas sollte man wissen: Je saurer der Boden ist, umso einfacher lösen sich Schwermetallverbindungen in ihm und können von Pflanzen aufgenommen werden. Auch wenn hier eine Gefährdung eher zu vernachlässigen ist, sollte es erwähnt werden.
Schwermetallsalze enthalten viele Böden, sie bilden wichtige und lebensnotwendige Spurenelemente für Menschen, Tiere und Pflanzen. Allerdings sind hohe Konzentrationen schädlich.

Welcher Kalk?
Der populäre Name „Kalk“ bezeichnet mehrere Stoffe, die chemisch gesehen unterschiedliche Substanzen sind. Diesen Bestandteilen gemein ist, dass es sich um sogenannte „anorganische Verbindungen“ handelt, deren gemeinsamer Bestandteil Calcium ist. Mit dem Trivialnamen „Kalk“ werden gewöhnlich bezeichnet:
1. Calciumoxid (gebrannter Kalk, Branntkalk, Ätzkalk)
2. Calciumhydroxid (gelöschter Kalk)
3. Calciumcarbonat (Kalkstein, Marmor, Seekreide, Dolomitkalk, Muschelmehl, Algenkalk…)

Im Folgenden geht es ausschließlich um Calciumcarbonat. Gebrannter Kalk, der im Baustoffhandel angeboten wird, sollte keinesfalls verwandt werden – im Gegenteil: Calciumoxid ist ein ausgesprochen aggressives Produkt, das in Verbindung mit Wasser enorme Temperaturen entwickelt und daher nur als Desinfektionsmittel genutzt werden kann.
Entscheidend für die Kalkung von Schildkrötengehegen ist es, das richtige „Ausgangsprodukt“ zu nehmen, nämlich einen „Kalk“, der weitgehend auf Calciumcarbonat basiert.
Zu den klassischen Kalkpräparaten gehören:
Dolomitkalk oder andere gemahlene Kalksteine. Das Präparat ist ein graues oder braunes, fein gemahlenes Pulver. Es ist schwer wasserlöslich, wird aber aufgrund der staubigen Substanz schnell in die Böden eingeschlämmt. Daher erreicht das Pulver über das Wasser

Dolomitkalk hat eine rot-bräunliche Färbung

schnell tiefere Erdschichten. Die meisten Produkte bestehen zu über 80% aus Calciumcarbonat und enthalten zudem noch Magnesiumcarbonat sowie weitere Spurenelemente.
Ich arbeite für die Gehegekalkung im Überwiegenden mit Dolomitkalk, den ich in 25kg-Säcken aus einem Gartencenter hole. Laut Herstellerangaben reicht ein solcher Sack für rund 100 Quadratmeter Gartenfläche aus. Allerdings kalke ich die Gehege wesentlich intensiver als den übrigen Garten.
Algenkalk aus Korallenablagerungen (Rotalgen) besteht ebenfalls zu etwa 80% aus Calciumcarbonat. 10% Magnesium, 4 – 5 % Silikate und viele Spurenelemente, z.B. Bor. Der wesentlich grobkörnigere Algenkalk kann ganzjährig ausgebracht werden. Im Gegensatz zum Gesteinsmehl dauert die Aufnahme des Calciumcarbonats in das Erdreich etwas länger. Es besteht nicht die Gefahr des Wegschlämmens oder Versickerns im Erdreich. Algenkalk habe ich noch nicht verwendet, weiß aber von anderen Haltern, dass sich das Produkt wunderbar flächig ausbreiten lässt.
Kalkmergel besteht nur zu 60 – 70% aus Kalk und enthält Sand und Ton. Kalksandstein und Kalkmergel können jederzeit – auch zu Gestaltungszwecken – in das Gehege eingebracht werden. Kalkmergel und Kalksandstein kann man in Steinbrüchen bekommen, oft kostenlos. Nachfragen lohnt sich in jedem Fall. Ich habe bereits mehrfach aus Steinbrüchen eimerweise Kalksandstein geholt und mein Gehege damit strukturiert.
Muschelgritt, Eierschalen und Schneckenhäuser bestehen ebenso aus Calciumcarbonat. Sie sind zur Kalkung des Bodens ebenfalls geeignet. Allerdings führt die kristalline Struktur von Muschelschalen und Schneckenhäusern dazu, dass sich das Calciumcarbonat erheblich langsamer auflöst als bei gemahlenem Stein.
Ähnliches gilt für Eierschalen. Zwar sind Eierschalen als Nahrungsergänzung für Schildkröten eher fragwürdig (s. dazu die Beitragsreihe Calciumernährung), trotzdem landen bei uns sämtliche Eierschalen im Gehege. Werden sie nicht gefressen, was eher selten der Fall ist, dann tragen sie irgendwann zur Bodenaufwertung bei. Muschelgritt verwende ich nicht mehr, da es die Schildkröten nicht als Kalknahrung akzeptiert haben. Das im Gehege verbliebene Gritt löst sich zwar nach und nach auf, aber eine schnellere Kalkzufuhr erreiche ich durch Dolomitkalk.
Branntkalk sollte außer zu Desinfektionszwecken überhaupt nicht in Garten und Gehege eingesetzt werden. Der Umgang mit der Substanz ist wegen der großen Hitzenetwicklung nicht ganz ungefährlich.
Kalkstickstoff sollte ebenfalls nicht zum Einsatz kommen. Die Substanz ist mit Nitraten als Stickstoffdünger angereichert (65% Kalk, 21% Stickstoff.). Das ist zwar grundsätzlich kein Nachteil, und schon gar nicht für den normalen Garten, allerdings sollte man auf Düngezugaben in den Gehegen verzichten um eben einen kalkhaltigen, nährstoffarmen Boden zu erhalten.
Düngung im Gehege führt zu verstärktem Pflanzenbewuchs und damit letztlich wieder zur Anreicherung des Humusanteils.

Oberflächenwasser schlämmt den Kalk tief ins Erdreich

Was ist Calciumcarbonat?
Calciumcarbonat ist eine natürlich vorkommende chemische „anorganische“ Verbindung, das Calciumsalz der Kohlensäure.
Diese Verbindung ist zwar nicht oder nur kaum wasserlöslich, wird aber schon durch schwache Säuren, wie sie im Erdreich und leider auch im Regenwasser vorkommen, schnell aufgespaltet. Chemisch gesehen bildet sich aus dem Calciumcarbonat und der Säure ein lösliches Calciumsalz. Am Beispiel dieser Auflösung durch Salzsäure hier mal die chemische Formel:

CaCO3+2HCl -> H2CO3+CaCl2
H22CO3 -> H2O + CO2
CaCl2 -> Ca2+ + 2Cl-

Die entstehende Kohlensäure H22CO3 zerfällt zu Wasser und Kohlendioxid. Das Calciumchlorid ist wasserlöslich und wird von den Pflanzen als Spurenelement aufgenommen. Die gleiche Reaktion läuft auch mit anderen Säuren ab. Der Effekt ist sicher den meisten bekannt: Die Aufspaltung des Carbonats zu wasserlöslichen Salzen funktioniert auch mit Essig(säure) und Zitronensäure – eine Reaktion, wie sie zum Beispiel beim Entkalken von Haushaltsgeräten stattfindet.

Wie wirkt der Kalk im Erdreich?
Durch die Reaktion des Calciumcarbonats wird dem Erdreich die Säure „entzogen“. Der Kalk neutralisiert die schwachen Säuren, die sich beim Zersetzen der Pflanzenteile bilden. Er wirkt so der fortschreitenden Bodenversauerung entgegen. Die Kalkung des Bodens wird umso wichtiger, da nach wie vor mit dem Regen zusätzlich eine Versauerung des Bodens stattfindet: Gasförmige Stickoxide und Schwefeloxide werden vom Regenwasser und Nebel aufgenommen und bilden den allseits bekannten „sauren Regen“. Viele Pflanzen kommen mit der Bodenversauerung nicht zurecht.
Kalk hilft gleichzeitig zur „Verkrümelung“ der Erde und lockert die Bodenstruktur auf. Dies erlaubt den Pflanzen, Nährstoffe besser aufzunehmen, der Boden kann mehr Wasser speichern.
Während ich meinen „normalen Garten“ entsprechend der Herstellerempfehlungen kalke, verfahre ich im Schildkrötengehege nach dem Prinzip, dass es durchaus etwas mehr sein darf. Kalksteinmehl wird hier großzügig mit einer Handschaufel über die Gehegefläche geworfen und auf den Erdflächen eingeharkt.
Das intensive Kalken verringert zwar die Humusbildung, aber das ist auch gewollt. Langfristig lauge ich so den Boden immer wieder aus. Es entsteht ein kalkhaltigerer, magerer Boden, der durch zusätzliche Kalkstein- und Kieselflächen schneller abtrocknet als ein schwerer, humushaltiger Lehmboden. Pflanzen, die eher saures Milieu bevorzugen, blockiere ich in der Ausbreitung.

Wann kalken?
Idealerweise wird der Garten im Frühjahr und im Herbst gekalkt. Wenn ich in dieser Zeit unseren Garten kalke, wird das Gehege gleich mit gekalkt. Ich achte darauf, dass das Ausbringen des Kalks nicht gerade in der Zeit passiert, in der die Tiere viel im Gehege unterwegs sind. Meistens kalke ich Anfang März und im November, wenn die Tiere schon wieder in der Winterstarre sind. Ich kalke großzügig vor einsetzendem Regen, damit das Oberflächenwasser den Kalk zügig in den Boden schlämmt. Kalken in Trockenperioden ist nicht empfehlenswert, da es eine überaus staubige Angelegenheit ist.
Das Kalken des Geheges macht den Tieren zwar nichts aus, aber die größeren Mengen Dolomitkalk, die schnell einen schlammigen Film bilden, müssen auch nicht unbedingt mit ins Schlafhaus getragen werden.
Bei länger anhaltenden Schlechtwetterperioden wie im Juni 2010 landen durchaus schon mal mehrere Schaufeln Dolomitkalk im Gehege. In dieser Zeit halten sich die Schildkröten überwiegend im Frühbeet auf, der Dauerregen schlämmt das Kalkmehl zügig ein.

Und die Schildkröten?
Das Kalken schadet den Tieren nicht. Sie profitieren von einem trockeneren, mageren Boden und dem Futterpflanzenbewuchs ebenso wie von dem Rückgang der Pflanzen, die diese Bodenstruktur gar nicht mögen (z.B. Moose, Farne).
Das Bodenkalken ersetzt natürlich nicht die Nahrungsmittelergänzung für Schildkröten (Ausbringen von Sepia, Knochen, Eierschalen u.ä.). Zwar profitieren die Tiere von der besseren Bodenbeschaffenheit und dem Angebot von calciumhaltigen Pflanzen, aber dennoch ist die Zugabe von Calciumcarbonaten in Form von Sepiaschulp, Eierschalen etc. unerlässlich.

Text und Fotos: Lutz Prauser, überarbeitet November 2014

7 Kommentare



  1. Hallo Marcel Riess,

    nein, wenn man mit Calciumcarbonaten arbeitet, muss man die Schildkröten nicht fern halten.
    Magnesiumsulfat ist nicht gegeignet, es geht ja letztlich darum, einen möglichst mageren, kalkreichen und nährstoffarmen Boden zu schaffen.
    Viele Grüße
    Lutz Prauser


  2. Hallo,
    ist es notwendig, die Schildkröten nach dem Kalken des Bodens einige Zeit von der behandelten Stelle fern zu halten?
    Ist Magnesiumsulfat ebenfalls geeignet?

    MfG Marcel Riess




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