Auch im fortgeschrittenen Alter sind Schwärmereien möglich – vielleicht nicht unbedingt für einen Star, so wie im Teenageralter, sondern für eine Kunstrichtung, einen Künstler, eine Stadt oder ähnliches.
Ich schwärme für Ivan Theimer (*1944), beziehungsweise für seine Werke, was bestimmt schon bemerkt wurde. Und deswegen versuche ich, soweit es mir möglich ist, seine Kunstwerke live zu besichtigen.
Auf meinen Recherchen zu seinen Arbeiten „stolperte“ ich über einen Brunnen in Fulda. Ein weiteres Ausflugsziel, das nur etwas mehr als eine Stunde von Bad Homburg entfernt liegt.
Schon zweimal habe ich diesen Brunnen, der sich in der Königstraße zwischen dem Finanzamt und dem Amtsgericht befindet, besucht.
Aber erst beim zweiten Mal, bei einem längeren Aufenthalt in Fulda, bemerkte ich, dass Theimers ausgefallenes Kunstwerk aus zwei Teilen besteht. Es handelt sich erneut um ein Monument – eine Installation aus einem Brunnen mit sehr vielen kleinen und interessanten Details und einem Obelisken, der ebenfalls Theimers einzigartige Handschrift trägt. Er kombiniert auch bei diesem Kunstwerk lokale Gegebenheiten mit seinen, für ihn typischen, Gestaltungselementen.
Schauen wir uns dieses Bronzewerk näher an.
Von der Königstraße aus, in einer kleinen Passage, können wir bereits den oberen Teil des Brunnens, der von einer achteckigen Metallkonstruktion umgeben ist, ausmachen.
Auf einem Sockel, der in einem kleinen runden Wasserbecken steht, befindet sich eine große wasserspeiende Landschildkröte, gefolgt von einer wesentlich kleineren direkt dahinter. Die große Schildkröte trägt einen Turm auf ihrem Panzer. Er wird durch Nischen verziert, in denen Szenen und Ereignisse des „Fuldaer Lebens“ figürlich dargestellt werden.
Auch hier können wir Menschen mit Weintrauben entdecken (siehe Safari Folge 59, Bordeaux). Sie symbolisieren die „Entstehung der Spätlese“. Denn im 18. Jahrhundert verspätete sich ein Bote auf seinem Weg von Fulda zum Schloss Johannisberg mit der Nachricht, dass die reifen Weintrauben geerntet werden können. Sie faulten, wurden trotzdem geerntet, gepresst und der Legende nach, entstand so die Beerenauslese.
Zwei Kinder flankieren die Schildkröte. Ein Mädchen, das mit einem einfachen Gewand begleitet ist und in ihren Händen eine Art Tamburin hält. Anstatt Schellen sind daran kleine Schildkröten befestigt. Und ein Junge, der nackt dargestellt wird. Seine Hände zeigen nach vorne, so als würde er im Takt des Tamburins klatschen. Nur auf seinem Kopf trägt er einen flachen Hut. Auch dieser ähnelt einem Tamburin, ist aber viel größer und wird ebenfalls mit kleinen Landschildkröten verziert.
Auch andere, für Theimer typische Gestaltungselemente können wir an und auf dem Sockel erkennen, z. B. Muscheln, Eidechsen, Schlangen, Blüten, Gräser und reliefartige Verzierungen. Natürlich darf die Darstellung eines kleinen Affen zusammen mit einer Landschildkröte nicht fehlen!
Und auch bei diesem Kunstwerk gibt es aus jedem Blickwinkel heraus ein neues Detail zu entdecken. Es fällt schwer, sich loszureißen und den Stufen mit den fünf Plattformen und dem geführten Wasserrinnsal nach unten, in Richtung der Straße „Am Rosengarten“, zu folgen.
Denn hier steht, bei meinem ersten Besuch von mir komplett übersehen, ein doppelt gestalteter Obelisk auf einer runden Plattform, die ebenfalls von Wasser umgeben ist. Aus einem äußeren Betonteil mit goldfarbener, leicht gebogener Spitze, schaut ein kleinerer Obelisk, aus Bronze gefertigt, heraus.
Auch hier wurden von Theimer Reliefs und Nischen eingearbeitet, die seine typischen Gestaltungsmerkmale zeigen. Und auch hier können wir bei näherer Betrachtung einige kleine Landschildkröten entdecken.
Das Kunstwerk von Ivan Theimer wurde im Mai 1995 eingeweiht und verkörpert unter anderem die Kontinuität und die Tradition der Stadt Fulda.
Auch diesmal bin ich nicht sicher, ob ich wirklich alles, das heißt jede winzige Kleinigkeit dieses wunderbaren Kunstwerks, gesehen und aufgenommen habe. Zu groß ist die Vielfalt!
Text und alle Bilder: Elke Wallrapp. Alle Rechte bei der Autorin