Hannelore Müller ist Stammleserinnen und -lesern der Testudowelt-Seite bestens als Autorin diverser Beiträge wie zum Beispiel: Schrecklich, grausig, eklig, ungesund – oder einfach Natur? oder Nr. 11 – oder „vom Ei zur Schildkröte“ bekannt. Im Sommer 2020 hat sie Ihr Buch
Ein ziemlich anderes Buch über Griechische Landschildkröten (Östliche Unterart, Thb) vorgelegt, über das Sie sich hier informieren können. Heute erzählt sie ihren Schildkrötenlebenslauf:
Von Hannelore Müller
Als Kind, in den Endfünfzigern, bekam ich nacheinander zwei große Griechische Landschildkröten (Thb) aus dem Zoogeschäft. Sie lebten bei uns in einer ca. 20 m² großen Freilandvoliere zusammen mit einheimischen und exotischen Vögeln. Mein Vater kümmerte sich um die Haltung sowie um die Überwinterung im Kartoffel-Gewölbekeller etc. Nach heutigen Gesichtspunkten ganz prima. Ein Frühbeet oder so etwas hatten wir allerdings nicht.
Als ich mich im Alter von 15 Jahren gar nicht mehr für die Tiere interessierte, sind sie an zwei verschiedene Halter abgegeben worden. Eins ist dann im ersten Winter im warmen Keller gestorben, die Spur des anderen konnte ich nicht verfolgen.
Mit dem Verlust der Tiere begann mein Wunsch, später, wenn ich mal einen eigenen Garten haben würde, wieder Schildkröten zu bekommen.
Diesen Wunsch erzählte ich 1974 meinem jetzigen Mann, der sich 1979, als wir unseren eigenen Garten hatten, daran erinnerte, und mir aus dem Zoogeschäft zwei Griechische Landschildkröten (Thb) mitbrachte – als Überraschung. Ich war sehr enttäuscht, denn sie waren ganz klein. Ich hatte keine Ahnung, wie alt. Ich baute aus Schwemmsteinresten ein 2 m² Gehege und aus Beton eine Höhle, die um die Ecke herum ging, damit die Tiere im Versteck windgeschützt waren.
Im Herbst, als die Winzlinge sich in die Höhle zurückgezogen hatten, schaute ich nicht mehr nach ihnen. Nach einigen Tagen Nachtfrost wollte ich sie in den Keller bringen, wie ich das von früher kannte. Da fand ich einen auf dem Rücken liegend vor dem Höhleneingang, steif gefroren. Er war vermutlich noch einmal herausgekommen, auf die Höhle geklettert und vorne heruntergefallen. Er lebte. Ich wog die Tiere. Sie wogen 40 g. Ich stellte die Kiste mit Laub in unseren Keller, der keinen festen Boden hat und in dem Kartoffeln gelagert wurden.
Im Frühjahr holte ich die Kiste herauf und wollte die Tiere wieder ins „Gehege“ setzen. Sie waren total eingetrocknet und sahen sehr tot aus. Ich wog sie, sie wogen 20 g. Der Schreck war groß. Ich stellte als Gehege einen Karton mit Erde auf die Fensterbank in der Küche und setzte die Tiere in lauwarmes Wasser. Sie lebten und nahmen das Wasser gierig auf. Ich wiederholte das Bad mehrmals am Tag und einige Tage lang. Das Fenster war ein Nordfenster, keine Sonne, keine Lampe. Bald hatten die Kleinen wieder ihre 40 g und begannen zu fressen.
Die ersten Fotos der Beiden entstanden wohl erst 1989, als sie 10 Jahre alt waren. Ich habe damals hin und wieder gekochtes Rotbarschfilet (Foto) sowie auch Hunde- und Katzenfutter verfüttert. Man kannte es nicht anders. Bitte nicht nachahmen! Heute wissen wir, dass es nicht gut ist für diese Schildkrötenart.
Sie entpuppten sich als Männchen und Weibchen. 1994 fand ich die ersten Eier und 1995 hatte ich die ersten drei Nachzuchten. Die beiden Anfänger-Tiere (und hoffentlich auch die Nachzuchten) leben heute noch, das Weibchen legt meist drei Gelege.
Mit den Tieren war auch das Gehege langsam gewachsen. Eine Zeitlang durften sie mit unseren zwei Meerschweinchen zusammen in deren Drahtstall auf die grüne Wiese und durften auch deren Häuschen mit benutzen. Wir wissen natürlich jetzt, dass das falsch war, sowohl die Gemeinschaft mit den Meerschweinchen, wie die Drahteinfriedung und das Holzhäuschen – ohne Möglichkeit, sich bei schlechtem Wetter etwas aufzuwärmen.
Der nächste Schritt war ein ca. 10 m² Gehege mit Holz eingefriedet, ein Schutzhaus aus Holz mit Blechboden und Heizschlange darunter, ein dunkler Schlafteil und ein Teil mit Plexiglasdach, das Sonnenstudio. Wenn es im Herbst kalt wurde, wollten sich die Schildkröten natürlich eingraben, was aber nicht ging. Unser Schlafzimmer war derzeit gleich nebenan. Ich hörte die Tiere dann die ganze Nacht über „scharren“ auf diesem Plastikboden. Wenn mich das einige Nächte genervt hatte, richtete ich eine Kiste mit Erde und Laub ein und stellte diese mit den Tieren darin in den Keller.
Als wir 1994 Heizung bekamen, war der Keller zu warm für eine Kartoffellagerung und für eine Überwinterung meiner Schildkröten. Inzwischen hatte ich auch mehrere sehr große Schildkröten, allesamt männlich, übernommen, die die Leute nicht mehr pflegen wollten/konnten. Ich hatte zwei Gehege und zwei Frühbeete ohne Boden darin, mit Eingrabemöglichkeit für Sommer und Winter.
Ich kannte nun auch mehrere Halter von Landschildkröten. Wir tauschten uns aus und optimierten aufgrund unserer Erfahrungen die Haltung der Tiere. Bei mir kam dann im Jahre 2000 dank meiner Kinder das Internet dazu. In den Foren habe ich weitere Erfahrungen sammeln und für mich bzw. meine Tiere anwenden können. Mein Mann und ich haben nette Leute kennen gelernt, mit denen wir sogar Schildkrötenurlaub in Griechenland, auf Mallorca und in Bulgarien verbracht haben. Mit den Erkenntnissen aus dem natürlichen Lebensraum und den Ratschlägen aus neuzeitlichen Büchern habe ich mein Wissen immer wieder erweitern können und bin damit auch noch nicht fertig. Besonders viel habe ich seit 2016 gelernt in Christines Forum https://www.landschildkroeten-forum.eu . Dort kann mich ich mit Schildkrötenhaltern, die lange Jahre Erfahrung haben, austauschen. Wir greifen dort manchmal Themen auf, zu denen es festgefahrene Meinungen aus dem letzten Jahrtausend gibt und hinterfragen diese Theorien. Aber auch die Fragen und Ideen neuer Halter und deren Beratung durch die Forenmitglieder finde ich interessant und sehr wichtig.
2010 habe ich meine letzten Nachzuchten erbrütet. Es ist mir zu anstrengend geworden, geeignete Halter zu finden, daher möchte ich nicht mehr für Nachwuchs sorgen.
Im Herbst 2018, der einem langen und heißen Sommer folgte, überraschten mich allerdings ungeplante Schlüpflinge aus unentdeckten Gelegen im dunklen Schlafhaus. Zum Glück fand sich schnell jemand ganz in meiner Nähe, der sie aufzieht.
Für meine Männchen, teils alte Wildfänge, die schwer zu vermitteln waren, habe ich in den letzten Jahren wunderbare Menschen gefunden mit großen, gut strukturierten Gehegen. Ein Männchen von 2010 wartet allerdings noch auf ein neues Zuhause.
Für den Fall, dass ich meine Tiere nicht mehr selbst pflegen kann, habe ich bereits vorgesorgt.
Ich habe mir seit einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, Tiere, die ein neues Zuhause suchen, zu vermitteln. Bis vor einigen Jahren durfte ich das Nachbargrundstück für Quarantänegehege nutzen. So konnte ich Abgabetiere vorübergehend aufnehmen, bevor ich sie weitervermittelt oder zum eigenen Bestand gesetzt habe. Tiere, die ich jetzt vermittle, bleiben bei ihren Haltern, bis ein neuer Liebhaber gefunden ist.
So genieße ich unbeschwert meine Tiere, muss mir keine Gedanken mehr um Quarantäne und die Gefahr von Krankheitsübertragung machen. Mit vielen Haltern, denen ich meine oder vermittelte Tiere anvertraut habe, pflege ich weiterhin Kontakt.
Es wird mir halt nie langweilig.
Text und alle Bilder: Hannelore Müller. Alle Rechte bei der Autorin