Urlaubsmitbringsel – dem Tode geweiht

Von Barbara Hentschke

Ich habe schon öfter Beiträge für diese Seite geschrieben. Es waren meist Themen rund um die Haltung meiner verschiedenen Schildkröten. Mal einen neuen Gehegebau für die Landschildkröten, mal die Einrichtung eines neuen Aquariums oder den Bau eines Teiches für meine Wasserschildkröte oder auch einen Baubericht über das neue Terrarium meine afrikanischen Spaltenschildkröten und vieles mehr. Beim Schreiben hatte ich immer viel Spaß und Freude, anderen Haltern mein Wissen und meine Ideen weiterzugeben.

Bei diesem Thema ist das anders.

Diesmal sitze ich hier und habe einen dicken Kloß im Hals und die Freude hält sich in Grenzen.

Warum? Es geht um „Urlaubsmitbringsel“ aus dem Urlaub in Nordafrika. Hier kaufen unbedarfte Menschen auf dem Markt eine kleine Schildkröte für wenige Euros und haben auch noch das Gefühl, diese Tiere gerettet zu haben. Dass das strafbar ist, ist den meisten durchaus bewusst, sie fliegen ja nicht mit den Tieren in der Hand zurück in die Heimat. Die Tiere werden sorgfältig versteckt in einer Zigarettenschachtel oder in Handtücher eingewickelt im Koffer. Entsprechende Schmuggelanweisungen bekommt der Käufer direkt auf dem Markt von dem Verkäufer. Betroffen sind oft graeca-Arten aus Tunesien (Testudo graeca nabeulensis) und aus Marokko (Testudo graeca marokkensins). Aber es trifft auch Tiere aus Jordanien. Und meist trifft es die Männchen oder ganz kleine Nachzuchten. Warum? Weil sie sich so gut verstecken lassen. Und Männchen der afrikanischen graeca-Arten sind sehr klein.

Erst mal zu dem Thema: „Ich habe eine Schildkröte gerettet“. Nein, das hat man nicht! Für jedes verkaufte Tier auf einem afrikanischen Mark, werden 5 neue Tiere dem Habitat entnommen. Erst wenn die Händler auf den Schildkröten sitzen bleiben, werden sie auch keine neuen Tiere aus der Natur entnehmen. D.h. wenn kein Tourist mehr auf einem Markt ein Tier rettet und dem Händler abkauft, wird der Handel ein Ende nehmen. Sicher werden auch Einheimische Schildkröten auf dem Markt kaufen, aber das ist der kleinste Anteil an verkaufter „Ware“. Die größten Abnehmer sind immer noch die Touristen.

Es gibt in Deutschland zwischenzeitlich einige Züchter, die diese Tiere legal nachzüchten. Natürlich kosten die deutlich mehr, als Tiere auf afrikanischen Märkten. Aber der Schutz der Tiere im Habitat ist das doch wert.

Warum liegt mir dieses Thema so am Herzen?

Nach der Urlaubszeit finden sich in den sozialen Medien (vor allem in Facebbok in den Schildkrötengruppen) vermehrt Beiträge, wo ein „gefundenes Tier“ gezeigt und nach der Art gefragt wird. Direkt nach den Ferien handelt es sich bei diesen „Fundtieren“ fast immer um afrikanische graeca. Glück hat man, wenn der Finder in privaten PN zugibt, das Tier auf einem Markt gekauft zu haben und auch sagt, wo der Urlaub verbracht wurde. Das macht dann die Hilfestellung bei einer weiteren Haltung einfacher. Jetzt zu schimpfen bringt gar nichts, dass Tier ist ja jetzt nunmehr in Deutschland. Also heißt es dann, zusammenreißen, ruhig bleiben und helfen. Ich rate grundsätzlich dazu, die Tiere in erfahrene Hände abzugeben. Wollen das die Finder nicht, muss man so gut wie möglich beraten, damit diese Tiere den Hauch einer Chance haben zu überleben.

Leider ist es so, dass die meisten Urlaubsmitbringsel nach kurzer Zeit sterben. Sie werden in ein Terrarium gesetzt und dort wird es langsam zu Tode gepflegt. Die Halter sind nicht auf Facebook oder haben sich sonst irgendwie informiert. Sie verlassen sich auf die Angaben des Verkäufers vor Ort. Bei afrikanischen Arten sterben die Tiere sehr schnell. Meist haben sie nur eine Lebenserwartung von wenigen Jahren. Falsches Futter, falsche Unterbringung und dazu keine ausreichende UV-Versorgung sorgen für einen schnellen Tod.

Warum ich diesen Bericht schreibe?

Weil ich hier bei mir auch zwei dieser armen Seelen sitzen habe.

Eine Testudo graeca nabeulensis (Tunesien) und eine Testudo graeca terrestris (Jordanien).

Die Testudo graeca nabeulensis hatte Glück, sie wurde unmittelbar nach Urlaubsrückkehr abgegeben bei einem Mann, der verschiedene Schildkröten pflegt. Afrikanische graeca hat er nicht, sodass er mich fragte, ob ich das Tier übernehme. Nachdem alles mit dem Amt geklärt war, ein Überlassungsvertrag ausgestellt wurde, zog das Tier bei mir ein. Diesem Tier geht es gut. Die anfängliche tierärztliche Untersuchung ergab, dass die Nieren- und Leberwerte im Normalbereich waren. Dieses Tier ist hier sehr munter und frisst gut.

In diesem Bericht geht es um eine männliche Testudo graeca terrestris. Ein Wildfang aus Jordanien. Dass es ein Wildfang ist, ist sicher. Diese Art wird in Deutschland so gut wie nicht nachgezogen. Ich persönlich kenne nicht einen einzigen Züchter.

Dieses Tier wurde wohl als Jungtier entnommen. Aufgrund falscher Haltung (wie oben beschrieben) ist das Tier sehr missgebildet. Es ist sehr höckrig, zu flach und hat einen Unterbiss. Und klar war, wer von außen so aussieht, da sind auch die Organe in Mitleidenschaft gezogen. Was sich dann auch bewahrheitete. Die Nierenwerte waren exorbitant hoch. Hier blieb nur eine Behandlung mit einem Medikament speziell für Nierenerkrankungen. Das Tier saß zunächst 1,5 Jahre bei einer sehr erfahrenen Tierheilpraktikerin in der Station. Immer wieder wurde für Olivio – so wurde das Tier genannt – ein erfahrener Halter gesucht. Wer möchte aber ein Tier aufnehmen, welches wahrscheinlich lebenslang regelmäßig zum Tierarzt gebracht werden und auch Medikamente nehmen muss.

Lange habe ich überlegt. Ich habe einen Tierarzt, der sich auf Reptilien spezialisiert hat direkt um die Ecke. 10 Minuten Fahrzeit. Ich hatte noch ein Plätzchen frei für ein Gehege. Und eine Schildkröte mit Medikamenten zu versorgen traute ich mir auch zu. Also habe ich das Tier zu mir genommen.

Als ich ihn das erste mal sah, stockte mir der Atem. Wie kann ein Halter nicht erkennen, dass eine Schildkröte so nicht aussehen sollte? Auch nichterfahrene Menschen müssten doch wissen, wie eine gesunde Schildkröte aussieht. Dem ist wohl nicht so.

Zwischenzeitlich ist Olivio seit April 2019 bei mir. Als ich ihn abholte, war das Freigehege fertig, ein Frühbeet eingerichtet mit Lampen und Schlafhaus mit Deckelheizung. Er konnte sofort in sein neues Gehege einziehen. Und trotz seiner schweren Nierenerkrankung war er munter und hat sofort Wildkräuter gefressen.

Er hat ein Freigehege von rund fünf qm und ein Frühbeet von einem qm. Der Bodengrund im Freigehege wurde mit viel Sand und Schotter vermischt. Das ergibt einen sehr trockenen Bodengrund, der nach einem Regen schnell wieder abtrocknet. Das ist sehr wichtig, diese Schildkröten vertragen absolut keine kühle Feuchtigkeit. Im Frühbeet habe ich ein Schlafhaus mit einer Deckelheizung, die steht während der gesamten Freilandhaltung auf 15 Grad. Als Wärmelampe benutze ich einen 100 Watt PAR 38 Strahler. Im Freigehege gibt es viele Versteck- und Futterpflanzen.

Hier kann er bis ca. Ende September leben bis er in sein Innengehege umzieht.

Sein Innengehege ist 200cm lang x 80 cm tief. Es ist eingerichtet wie ein Freigehege. Mutterboden mit Sand gemischt, viele Pflanzen und ein Versteck für die Nacht. Strukturiert wurde es mit schönen Steinen und Wurzeln. Die UV-Versorgung erfolgt mittels einer 70 Watt UV-Lampe von Reptiles Expert. Mit einem Messgerät (Solarmeter 6.5) messe ich die UV Abgabe der Lampe regelmäßig nach. Gibt die Lampe nicht mehr ausreichend UV ab, merke ich das sofort und kann austauschen.

Bisher kann ich sagen: Das Tier ist munter und frisst gut. Sowohl in der Außen- als auch in der Innenhaltung. Bis auf die starken Verwachsungen erscheint das Tier gesund.

Wie hat sich aber seine Nierenerkrankung entwickelt?

Regelmäßig fahre ich zu meinem Tierarzt um das Blut untersuchen zu lassen. Solange er das Medikament bekommt, sind seine Nierenwerte im grünen Bereich. Sobald wir versuchen aus dem Medikament auszuschleichen, steigen die Werte wieder an. Ein Verzicht auf das Medikament ist also derzeit noch nicht möglich. Eventuell wird er lebenslang dieses Medikament nehmen müssen.
Wie lang ist bei ihm lebenslang? Das weiß man nicht. Fakt ist aber, er wird nicht sehr alt werden.

Stellen wir uns vor, Olivio wäre in Jordanien verblieben. Dann wäre er heute ein wunderschönes adultes Männchen, der schon für reichlich Nachwuchs gesorgt hätte.

Und jetzt ist er ein verwachsenes Männchen, mit einer Nierenerkrankung und einer deutlich eingeschränkten Lebenserwartung.

Das muss nicht sein!

Lasst die Tiere da wo sie leben und kauft euch hier in Deutschland legale Nachzuchten.

Traurige Grüße
eure Barbara

Text und alle Bilder: Barbara Hentschke. Alle Rechte bei der Autorin

Ein Kommentar


  1. Eine Schande Tier aus ihrem Habitat zu entnehmen!
    Gut, dss du darüber berichtest.
    Absolut grossartig wie du dir diese Schildkröte angenommen hast, und ihm ein schönes Leben ermöglichst wenn er schon hier gelandet ist.

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