Ich verstehe es nicht – Ein Kommentar

Jahr für Jahr ist es die gleiche Diskussion. Und das nicht einmal sondern gleich zigmal. Zwar hat sich der Diskussionsort verlagert, früher waren es die Schildkrötenforen, jetzt sind es die Schildkrötengruppen bei Facebook. Der Inhalt aber ist immer der Gleiche und der Ablauf folgt ebenfalls fast immer dem gleichen Schema.
Die Ausgangsfrage lautet meistens so oder so ähnlich: „Schlafen eure Schildis im Sommer im Garten und nicht im Frühbeet?“
Sind die ersten Antworten in der Regel noch sehr eindeutig von einer Gefahr für im Freiland übernachtende Tiere geprägt, ändert sich der Diskussionsverlauf relativ schnell in zwei Lager.
Unumwunden verweisen dann aber einige Halter darauf, dass sie ihren europäischen Landschildkröten die freie Entscheidung lassen, ob sie im Frühbeet bzw. Gewächshaus oder an ihren Lieblingsplätzen im Freigehege übernachten. Sie finden das gut, artgerecht und naturnah. Es ist ihr Konzept, die Tiere dort übernachten zu lassen, wo sie es wollen.
Warnungen, dass das gefährlich werden kann werden entweder in den Wind geschlagen oder mit einem „Mein Gehege ist 100% sicher!“ abgetan.
Mag das für kleine Tiere in kleinen Gehegen noch einigermaßen funktionieren, ist eine hundertprozentige Absicherung von artgerechter Gartengehegen erwachsener Tiere ein Ding der Unmöglichkeit. Denn wie soll man 20 Quadratmeter oder mehr sichern? Ein darüber gespanntes Netz hilft da nicht wirklich und hält auch außer vielleicht Krähenvögel nicht wirklich irgendeinen Eindringling ab.

Gelegentlich beteilige ich mich an solchen Diskussionen mit nebenstehendem Bild. Es zeigt die Landschildkröte eines Freundes, wie er sie eines Morgens in seinem Garten vorfand. Zerbissen, das Bein abgerissen, blutig. Das Foto, das er mir damals geschickt hat, darf ich mit seiner Zustimmung immer wieder zeigen.
Das Tier hatte im Freien im Gehege übernachtet und unliebsamen Besuch bekommen. Die Geschichte endete damit, dass ein Arzt in der Tierklinik, die er umgehend aufsuchte, die Schildkröte einschläferte.
Daher ist mein sehr kurzer Kommentar in den Diskussionen zumeist:

Erst Draußenschläfer
Dann eingeschläfert.
Eure Tiere.
Eure Verantwortung.

Mehr muss ich eigentlich nicht dazu sagen. Dass ein schildkrötenerfahrener Tierarzt mir später auf Rückfrage schrieb, dass zumindest auf Basis dieses einen Fotos sein Eindruck sei, dass das Tier hätte gerettet werden können, macht die Sache doppelt tragisch.

Freigehege-Übernachtung ist nie eine sichere Sache. Oft und überall in den digitalen Diskussionen wird darauf hingewiesen, oft genug wird entgegnet, die Gehege seien ja ringsum gegen das Eindringen von Fressfeinden hermetisch abgesichert. Nein, das sind sie nicht – zumindest dann nicht, wenn es sich nicht um stahlvergitterte, oben verschlossene Gehege ähnlich wie „Volieren“ handelt. Ratten und Marder finden fast überall Zugänge.
Ich zeige dieses Bild immer wieder bewusst in solchen Diskussionen, weil ich auf seine Schockwirkung zähle, wobei das Foto noch harmlos ist im Vergleich zu getöteten, halb gefressenen Schildkröten, wie ich sie zum Beispiel in Kroatien in freier Natur gesehen habe. Auch dazu hier ein etwas harmloseres Foto.

Diese Bilder sind ebenfalls harmlos im Vergleich zu den Fotos, wie sie zum Beispiel Tierärzte auf Workshops und Tagungen in ihren Vorträgen zeigen. Und auch die Bilder von dem Blutbad, das nachts Waschbären in einem Gartengehege anrichteten, wie wir sie auf einer Tagung zu sehen bekommen haben, sind da ein ganz anderes Kaliber.
Es ist letztlich immer nur die Verantwortung des einzelnen Halters, ob er seine Tiere nachts in Frühbeeten oder Gewächshäusern unterbringt. Auch die sind selten wirklich sicher vor dem Eindringen von Fressfeinden, aber es ist ein erheblich größerer Aufwand, zu den Schildkröten zu gelangen. Marder, Ratten und Co. bekommen schnell heraus, dass sie anderswo vielleicht einfacher Beute machen können. Dass diese Diskussionen jedes Jahr aufs Neue geführt werden (müssen), wobei die Stimmen derer, die die Tiere nachts sichern, deutlich in der Überzahl sind, ist für mich langsam nicht mehr nachvollziehbar. Beruhigend, dass viele Gruppenadministratoren diesen Debatten mit einer sehr klaren Ansage schnell ein Ende machen und die Kommentarfunktionen deaktivieren: „Ich finde es sehr schade, wenn jedes Jahr unsere Empfehlung, Schildkröten vor Fressfeinden zu schützen, ignoriert werden und die Tiere dann mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen. Ja es kann 50 Jahre gut gehen, aber irgendwann dann nicht mehr. Ich möchte bitte in dieser Gruppe keine Empfehlung dazu, Schildkröten frei den wilden Tieren zu überlassen. Wer das Risiko eingehen möchte, kann dies tun. Aber bitte nicht stolz die Erfahrung hier posten…“ so zum Beispiel Ines Kosin in ihrer Gruppe Griechische Landschildkröten artgerecht pflegen. Genau das ist der Punkt.
Natürlich kann jeder seine Schildkröten draußen übernachten lassen. Diese Entscheidung steht jedem Halter offen. In Anlehnung an einen bekannten Spruch: Reinholen muss er nur die, die er behalten möchte.

 

Text: Lutz Prauser, Fotos: Lutz Prauser, Günther E. . Alle Rechte beim Autor

6 Kommentare


  1. Die Empfehlungen zur Haltung von Schildkröten und deren Fütterung im Internet sind sehr widersprüchlich und fehlerhaft. Man muss die Gewohnheiten des Tieres kennenlernen und sich danach richten.
    Unsere Russische Landschildkröte ( Trampeltreu ) haben wir jetzt über 40 Jahre.
    Bei geeignetem Wetter läuft sie frei im Garten, sonst frei im Haus. Sie hat dort ihre Ruheplätze oder läuft umher. Der Garten ist so gestaltet, dass Trampeltreu ein Häuschen hat, welches sie bei Bedarf zum Ausruhen aufsucht. Klettersteine und Pflanzen mit Schatten sind ausreichend vorhanden, ein Paradies.
    Da im Garten nicht ausreichend Pflanzen vorhanden sind, bzw. Trampeltreu diese nicht annimmt, ist die Fütterung ein Ritual, dass Trampeltreu geniesst ( meine Empfindung )
    Abends kommt sie im Haus in ein Zimmer mit einem Schlafhäuschen, wo sie sich auskennt und auch wohlfühlt. Übernachtung im Freien haben wir nach den ersten Jahren nicht mehr durchgeführt.
    Trampeltreu wird regelmässig in der Tierärztlichen Hochschule in Hannover untersucht.
    Trotz der “ falschen Fütterung „, jahresabhängig neben Feldsalat, Ruccula, auch Kräuter , Löwenzahn, Gurke, Zucccini, Karotten, Ei, Banane , Spargel ) gibt es selten Schnupfen oder Würmer.
    Andere Gewächse wie Wegerich usw. werden nicht angenommen, vielleicht unser Fehler
    Das sich Trampeltreu trotzdem wohlfühlt, zeigt sie immer durch ihr Verhalten. kein Einziehen des Kopfes bei Annäherung, Schmusen und Kraulen sind angenehm.
    Winterschlaf hält Trampeltreu bei unserer Tierärztin, Frau Dr. Keil in Hannover, von November bis März.
    N. Sprei


  2. Ich gebe zu, vor einigen Jahren habe ich meine Tiere bei warmem Wetter auch draußen gelassen. Davon habe ich Abstand genommen , wir haben hier Waschbären. Zum Glück gehen meine SK ganz lieb gegen 17 Uhr von allein ins Gewächshaus. Daß für die Übernachtungdraußen, je nach Lage wo man wohnt Gefahren ausgehen begreifen manche nicht. Solche und auch andere Themen, wo ich oft nur den Kopf schütteln kann verleiden mir das Antworten und einen Kommentar. Man ist dann der Klugscheißer und Besserwisser.


  3. Hallo, ich kann das nur sowas von bekräftigen!!!
    Mein Monty, eine Thh, wurde Mitte Mai sogar aus dem leider noch geöffneten Frühbeet gebuddelt und brutal getötet. Die Bilder gehen mir nie mehr aus dem Kopf. Ich hatte das Frühbeet vergessen zu zu machen und um 22.30Uhr war es schon zu spät. Im Nachbarfühbeet hat Oli überlebt, das Gehege wurde jetzt komplett mit Aufbau aus mardersicherem Draht gesichert. Auf Anfrage schicke ich das Foto vom getöteten Oli :-(
    NIEMALS die wehrlosen Schildkröten diesem Risiko aussetzen!
    Und bei uns läuft sogar noch der Hund regelmäßig Patrouille im Garten und zig Katzen. Nichts hat den vermutlich Waschbären abgeschreckt…


  4. Lutz, da stimm ich Dir zu 100% zu. Falls eine nicht freiwillig ins gesicherte Gewächshaus geht, dann suchen wir sie. Auch wenn es mal 3 Stunden dauert (seitdem hat Leo den Beinamen „der kleine Arsc…) ;-) Mit den Hunden ist es das gleiche… ich habe Hunde. Man hört immer wieder: Der tut den Schildkröten nichts… Meine würden den Schildkröten wahrscheinlich auch nichts tun. Aber… ich lasse sie nie zu den Schildkröten und ich haben einen hohen Zaun um das ganze Gehege. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn was passieren würde.


  5. Danke Lutz für deine klaren Worte, dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Schildkröten sind komplett wehr & hilflos Feinden ausgeliefert, sie leiden Höllenqualen wenn sie angefressen werden! Wer möchte daran Schuld tragen? rein, sicher, gut


  6. Auf den Punkt! Wer sein Tier außerhalb vom geschützten Frühbeet/Gewächshaus übernachten lässt, trägt dann die Verantwortung dafür, wenn dieses Tier dann Opfer eines Fressfeindes wird. Da ich diese Erfahrung nicht machen möchte, wird kurz vor Sonnenuntergang kontrolliert. Meist sind alle Tiere im Gewächshaus. Aber hin und wieder versucht doch ein Tier drußen zu schlafen, und wird dann ins Gewächshaus gesetzt. Immer wieder ein Argument, warum einige das nicht machen: der Stress beim hochheben. Erstens muss ich die Tiere auch hochheben, wenn ich z.B. die Fotodokumentation machen muss, die ist ja schließlich Pflicht. Und lieber mal für eine Minute Stress beim umsetzen, als Stress, Schmerzen und Qual, wenn sie dann einem Fressfeind zum Opfer fallen. Meine Antwort ist bei solchen Beiträgen immer: „Dein Tier, deine Verantwortung.“ Wir können andere Halter nicht zwingen, ihre Tiere zu schützen, wir können nur darauf hinweisen, was passieren könnte. Und das werde ich weiterhin tun, aber nicht mehr so endlos lange wie noch vor einigen Jahren. Ein Satz, ein Bild und ein Link zur Seite https://www.terrarium-schildkroete.de/gehegesicherung-fressfeinde.html , mehr gibt es von mir nicht mehr.

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