Laub: Ein Dauerthema, meine Erfahrungen

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht derzeit in den sozialen Medien, den einschlägigen Schildkrötengruppen bei Facebook über die anstehende Überwinterung diskutiert wird. Und keine Frage scheint häufiger gestellt zu werden als die, welches Laub man denn nehmen solle, unter dem sich die Europäischen Landschildkröten zur Winterpause eingraben. Vor allem Anfänger sind sehr irritiert, als fürchteten sie, mit der Wahl des falschen Laubes, schwerwiegende Probleme heraufzubeschwören, das Wohl und Wehe ihrer Schützlinge zu gefährden, ja sogar einen Riesenschaden anzurichten.

Fast ebenso reflexartig auf die Fragen nach dem geeigneten Laub kommt die Antwort: „Buche“. In der Tat scheint Buchenlaub das Laub zu sein, das von den meisten Haltern wärmstens als das Beste empfohlen wird, wenn nicht sogar unterschwellig als das einzig Wahre, das einzig Richtige propagiert wird. Bisweilen wird Buchenlaub zu diesem Zweck im Netz sogar zum Kauf oder zum Ersteigern angeboten.
Buche ist klasse – keine Frage. Aber muss es zwingend Buche sein?
Nein. Das meiste andere Laub geht ganz genauso, egal ob Eiche, Ahorn, Erle, Platanen… oder eine bunte Mischung.

Und so wie zum Buchenlaub dringend geraten wird, so wird von welken Blättern anderer Baumarten dringend abgeraten. Vor einigen Jahren war Eichenlaub zum Beispiel ein Kandidat. Mit viel Halbwissen, vielem vom Hören-Sagen-Gelesenem, wenig eigenen Erfahrungen und noch weniger Nachdenken über das, was man so liest und weitergibt, wurde vor einigen Jahren massiv gegen Eichenlaub angeschrieben. 2013 habe ich auf dieser Seite meine eigenen Erfahrungen und ein paar Gedanken dazu veröffentlicht. Mein damaliges Fazit, das ich heute noch ganz genauso ziehen würde: „Ich sehe überhaupt keinen nachvollziehbaren Grund, warum meine Schildkröten nicht unter Eichenlaub überwintern sollten.“ Ähnlich schildert der Hunsrücker Schildkrötenhalter Torsten Kiefer auf seiner Webseite unter der Überschrift Lau(s)b(ub)geschichte seine Erfahrungen.

Viel Halbwissen dominiert auch heute noch die Diskussionen und leider auch viele Fehlannahmen. So war zum Beispiel vor kurzem zu lesen, Buchenlaub enthalte keine Gerbsäuren. Das ist schlichtweg falsch. Auf solche Diskussionen folgt geradezu vorhersehbar die Frage: „Geht auch Ahorn?“ „Geht auch Laub von Obstbäumen?“, „Was ist mit Haselnuss…“. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen, angesichts von über 120 verschiedenen heimischen Laubbaumarten, dazu zahlreiche eingebürgerte Arten ist das kein Wunder. Hinzu kommen die vielen Strauchgehölze, die ebenfalls Laub abwerfen, über das man auch trefflich diskutieren könnte.

Nun ist über Laub in den vergangenen Wochen viel geschrieben worden. Über einen überaus spannenden Versuch hat Gunda Meyer de Rojas auf ihrer Internetseite berichtet. Sie hat verschiedene Laubarten auf ihre Tauglichkeit getestet. (Nachzulesen unter dem Link – dann über den Reiter „Überwinterung/naturnahe Überwinterung“ auf das Icon „Substrate im Test“ klicken). Laub von Buchen, Eichen, Walnuss, Süßkirschen und Laubmischung hat sie auf Zersetzung, Verfügbarkeit, isolierende Wirkung etc. untersucht. Auch wenn diese Tests natürlich nur singulär sind und Einzelerfahrungen widerspiegeln, ist es enorm hilfreich, sich die Ergebnisse anzuschauen. Entscheidend nämlich ist die Fragestellung, für was das Laub eigentlich gedacht ist, bzw. für welche Art der Überwinterung. Hier nämlich liegen schon erhebliche Funktionsunterschiede.

1. Überwinterung in Kisten im Kühlschrank, Gewölbekeller etc.

Wer seine Schildkröten in Boxen im Kühlschrank, Gewölbekeller oder anderen geeigneten Orten überwintert, füllt diese Kisten mit einem geeigneten Substrat auf. In der Regel handelt es sich um Erde, die entweder einfach so verwendet wird oder mit Sand oder Moos oder anderen Substanzen vermischt ist. In den ersten Jahren meiner Schildkrötenhaltung habe ich die Tiere auch im Kühlschrank überwintert, sie waren nie vollständig eingegraben, manchmal sogar gar nicht. Eine Laubschicht, die über die Tiere gedeckt ist, hilft hier in der ersten Linie, die Tiere nicht auszutrocknen. Viele Halter legen feuchte Tücher als Deckel auf die Kiste, um die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen, auch das habe ich gemacht. Verwendet habe ich hier Buchenlaub aus dem angrenzenden Wald.
Das Laub schützt natürlich durch den verminderten Luft- und Feuchtigkeitaustausch auch das Substrat vor dem Austrocknen. Zu bedenken ist, dass im Gegensatz zu den Überwinterungsgruben hier die Tiere mit deutlich weniger Erdreich umgeben sind, dieses also schneller austrocknet.
Im Frühjahr nach der Auswinterung war das Laub nahezu unverändert, obwohl es des Öfteren besprüht und feucht gehalten wurde. Das spricht natürlich für die Buche.
Da ich mit der Kühlschranküberwinterung nicht wirklich zufrieden war, habe ich vor mittlerweile 8 Jahren auf eine externe Überwinterungsgrube umgestellt.

2. Überwinterung in Gruben

Wer seine Schildkröten in Gruben im Frühbeet/Gewächshaus oder einen externen Überwinterungsgrube überwintern lässt, hat in der Regel eine Situation geschaffen, in der sich die Tier vollständig in der feuchten Erde eingraben. Zumindest ist es meine Erfahrung, dass die Schildkröten sich irgendwann recht tief in die Erde zurückziehen. Das Problem der Austrocknung ist hier eher nicht gegeben., sofern das Substrat feucht (nicht nass!) ist. Bei dieser Überwinterung dient eine Laubschicht über der Grube in erster Linie der Isolierung, also als Frostschutz von oben.

Nun isoliert nicht das Laub selbst sondern die Luftkammern in dieser Laubschicht. Das Laub begrenzt den direkten Austausch dieser Luft mit der sehr viel kälteren Umgebungsluft.
Bei der Auswahl des Laubs achte ich hier darauf, dass die Blätter nicht zu klein sind (je kleiner, um so weniger Luftkammern), nicht zu weich, nicht zu schnell „matschen“ und vor allem nicht flach aufeinander liegen. Birkenblätter zum Beispiel „pappen“ feucht schnell aneinander und bilden einen flachen Deckel. Laub, das sich beim Welken wellt oder etwas aufrollt, ist da deutlich besser geeignet. Meist sammle ich das Laub am Waldrand unter Buchen und Eichen.
Feucht halten muss ich das Laub in meinen Überwinterungsgruben nicht. Aber auch Laub, das keine oder kaum Gerbsäure enthält, verrottet nur langsam und schimmelt nicht in meiner Überwinterungsgrube im Zeitraum der Überwinterung, also etwa Ende November bis Mitte März. Die Grube schließt ja auch nicht luftdicht ab.

Mein Fazit:
Grundsätzlich sind fast alle Laubarten zur Überwinterung geeignet, je nach Funktion die eine mehr, die andere weniger. Von Vorteil sind immer Laubarten, die durch einen gewissen Gerbsäureanteil langsamer verrotten und schimmelresistent sind. Gerbsäuren haben fungizide Wirkung. Wer sich über Eichenlaub in der Terraristik informiert, wird immer wieder darauf stoßen, dass sich Terrarianer diesen Effekt gezielt zu Nutze machen. Mehr dazu im Beitrag über Eichenlaub.

Zur Isolation ist immer von Vorteil ligninhaltiges Laub zu verwenden, also Laubsorten, bei denen sich die getrockneten Blätter „hölzern“ anfühlen, hart und etwas brüchig sind, aber sich wellen. Denn die Luftkammern, die sie so bilden, stellen die eigentliche isolierende Wirkung dar. Blätter, die platt aneinanderpappen und eher einen geschlossenen Deckel bilden, sind weniger geeignet.

Ein Wort noch zur Behandlung des Laubs:
Natürlich ist es sinnvoll, möglichst „sauberes“ Laub zu nehmen – also beim Zusammenrechen im Wald zum Beispiel nicht gerade die Hinterlassenschaften des vorher am Baum stehenden Hundes mitzunehmen oder Laub, auf dem sich bereits Schimmel oder Pilze angesiedelt haben.
Beim Sammeln achte ich darauf, nicht das Laub vom Vorjahr zusammenzuharken sondern frisch Gefallenes. Es ist aber nicht notwendig, das Laub im Backofen zu erhitzen und zu desinfizieren (was auch manchmal empfohlen) wird. Das halte ich nicht nur für vollkommen übertrieben sondern auch für sinnlos, denn spätestens wenn ich das Laub in die Gruben fülle, „kontaminiere“ ich es sowieso wieder mit der Natur.

Laub muss auch nicht intensiv abgewaschen werden, sollte sich am Blatt eine Assel oder ein Insekt befinden, ist das für die Schildkröten unter dem Laub überhaupt kein Problem.

So viel kann man bei der Überwinterung seiner Schildkröten gar nicht falsch machen – zumindest nicht in Hinsicht auf die Auswahl des richtigen Laubs. Die gefühlte Besorgnis ist um Klassen größer als es die Gefahr, hier etwas falsch zu machen. Entspannung ist angesagt. „ErLAUBt“ ist, was funktioniert – und das ist bei den meisten Blättern der Fall. Es ist auch gar nicht verkehrt, das eine oder andere selbst auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln und davon zu berichten. So wie Gunda Meyer de Rojas das gemacht hat.
Alles klar? Dann kann der Winter kommen…

Text und alle Fotos: Lutz Prauser. Alle Rechte beim Autor.