„Püppis“ left the building – Ein Erfahrungsbericht

Ich gebe zu, es war schon höchst manipulativ und trickreich, die Verkaufsanzeigen meiner Schildkrötennachzuchten aus dem vergangenen Jahr mit diesem Bild als Eye-Catcher auszustatten.
Wer kann da schon nein sagen?

Und noch perfider: Nachdem die erste Anzeigenrunde Ende März nicht das gewünschte Ergebnis brachte (nur eine Rückfrage und die kam aus Berlin), habe ich alle Anzeigen Anfang April gelöscht und pünktlich zu Beginn der Osterferien wieder eingestellt: Gleicher Text, gleiche Bilder. Aber die Gartensaison hatte begonnen, das Wetter ist schön, es ist warm, die Leute sind in Kauflaune – auch für neue Haustiere. Der perfekte Zeitpunkt, für die „Püppis“ ein neues Zuhause zu suchen.
Es hat funktioniert: Täglich kamen Anfragen, nicht wenige wurden, wenn ich das Gefühl hatte, dass echtes Interesse besteht, mitsamt aktuellem Foto von den Tieren beantwortet. Die potentiellen Käufer so noch einmal „anzufixen“ ist auch manipulativ, ich weiß.

Trotzdem habe ich das gemacht. Und noch mehr. Ich habe die Tiere zu einem „Dumpingpreis“ angeboten, knapp 50% unter den üblichen Vergleichspreisen auf den Online-Portalen.
Das mag mir den Vorwurf einbringen, die Tiere verramschen zu wollen. Aber das ist mir offen gestanden herzlich egal. Mit meiner Preispolitik wollte ich  sicherstellen, die Schildkröten aus dem vergangenen Jahr relativ zügig an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Denn es ist kein Geheimnis, dass die günstigsten Angebote die schnellsten und meisten Reaktionen hervorrufen. Da ich auf das Geld nicht angewiesen bin, also Schildkrötenzucht nicht als Geschäftsmodell ansehe oder gewerblich betreibe, kann ich es mir erlauben, deutlich weniger zu nehmen, als die Tiere vielleicht wert bin. Mir wurden die Schildkröten mehr oder weniger geschenkt. Warum soll ich sie nicht zu einem Superpreis abgeben, der die Kosten für die Anmeldung und die Papiere sowie die Unterbringung im ersten Dreivierteljahr refinanziert, aber ich sonst eben keinen Reibach damit mache?

Klar setze ich mich der Gefahr aus, mit diesen Dumpingpreisen Leute anzuziehen, die von Schildkröten keine Ahnung haben und das Schnäppchen einfach so mitnehmen wollen, ohne sich für eine vernünftige, artgerechte Unterbringung zu interessieren. Möglicherweise setzt diese Art der Preisgestaltung auch das Signal, dass ein Tier, das man so billig erwerben kann, nicht viel wert ist – geht das schief, dann kann man es eben wieder abgeben oder im schlimmsten Fall eingraben ohne einen großen materiellen Verlust.
Das weiß ich. Ich tue es trotzdem.

Warum?

Zum einen denke ich, dass die Schleuderpreise vielleicht kommerziellen Großzüchtern und auch dem Handel zunehmend zum Ärgernis und Problem werden. Denn auch die inserieren heftig – und schrauben ebenfalls die Preisspirale weiter nach unten, weil sie ihre Tiere sonst nicht losbekommen und zum Jahresende nun wirklich verramschen:

Denn wer ein Tier für die Hälfte oder noch weniger bei mir bekommt, kauft es vielleicht nicht im Baumarkt oder Gartencenter und auch nicht bei denen, die in großen Mengen züchten und den Markt überfluten. Eine Preiserosion hat nämlich auch seine guten Seiten, es senkt das Angebot erheblich. Nicht selten lese ich, dass Leute das Züchten aufgegeben haben, weil es sich nicht mehr lohnt.

Zum anderen bin ich in der Entscheidung frei, wem ich die Tiere verkaufe und wem nicht. Damit halte ich zwar niemanden ab, sich eine Griechische Landschildkröte zuzulegen, die er ins Zimmerterrarium stopft, wenn ich ihm keine verkaufe – aber es ist dann kein Tier von mir. Mag der, der so etwas machen will, sich ein Tier anderswo besorgen, und das wird er auch tun. Das werde ich so oder so nicht verhindern.

Meine Erfahrungen:

Es war interessant, zu beobachten, wer sich alles auf die Anzeigen in den einschlägigen Tierverkaufsportalen gemeldet hat – und ja: Ich habe auch Käufer abgelehnt, zum Beispiel eine Familie, die lediglich ein Kaninchenauslaufgitter auf die Wiese im Garten stellen wollte. Ich habe sie mit umfangreichen Informationen versorgt, auch Links zu der von Torsten Kiefer akribisch zusammengetragenen Bildersammlung von ganz vielen Gehegen. Und seitdem habe ich von den Leuten nichts mehr gehört. Vielleicht hat sie das abgeschreckt, denn so einfach, wie sie sich das gedacht haben, geht Schildkrötenhaltung dann doch wohl nicht. Man muss ja nicht auf Teufel komm raus jedem seine Tiere verkaufen, der das Fingerchen hebt, dass er eines haben will.

Ansonsten aber habe ich gute Erfahrungen gemacht. Mal kamen die Leute zu mir, haben vorab Fotos ihrer Gehege geschickt, mal habe ich ihnen die Tiere vorbei gebracht, Einsteigern konnte ich viele Fragen beantworten und den einen oder anderen Tipp geben.
Besonders schön war, eine Familie in München zu besuchen, die noch kein Gehege haben, sich aber ein Tier ausgesucht haben, das noch immer in meinem Garten lebt, jetzt aber reserviert ist. Derweil wird bei der Familie in aller Ruhe und großer Gewissenhaftigkeit an einem Gehege gearbeitet, gelegentlich erreichen mich Fragen und Fotos und ich kann Hilfestellung geben.
Genauso habe ich mir das vorgestellt – und genauso ist es eingetreten.

 

Ein Ärgernis bleibt

Umso törichter, anmaßender und ärgerlicher ist es, wenn in Facebook-Diskussionen Leute, die Schildkröten kaufen wollen, Egoismus und Verantwortungslosigkeit vorgeworfen wird, weil sie ein Tier aus einer Nachzucht kaufen möchten statt eines aus einer Auffangstation zu übernehmen. Abgesehen davon, dass viele Auffangstationstiere durch diverse Deformationen und Krankheitsbilder nicht gerade für Anfänger geeignet sind, ist es höchst sonderbar, wenn solche Äußerungen aus dem Umfeld einer niederbayerischen Station auftauchen und damit ein moralischer Druck auf Einsteiger ausgeübt werden soll. Wenn dann gleichzeitig alle, die Schildkröten nachziehen, pauschal als Massenzüchter für das zukünftige Elend dieser Tiere verantwortlich gemacht werden, ist das schon eher grenzwertig: Als sei es vorherbestimmt, als würden die meisten Tiere, die verkauft werden, demnächst in den Stationen landen, weil die Halter ihrer überdrüssig werden, als würden Züchter künstlich – quasi im Labor – Leben erschaffen, dass es so nicht gegeben hätte. Gerade angesichts der vielen Naturbruten 2018, von denen viele nun auch ein neues Zuhause benötigen, ist diese Anmerkung schlicht Unfug.

Ich habe Momente der „Schockverliebtheit“ erlebt, habe Menschen oft geraten, ihre Entscheidung, sich Schildkröten zu kaufen, noch einmal sehr genau zu überdenken und habe sie auch davon abgehalten. Das macht nicht jeder, der Schildkröten abgibt, vor allem nicht der Handel oder der Großzüchter, der damit ja sein eigenes Geschäft kaputt macht.

Und ich habe Momente der „Schockverliebtheit“ von Haltern erlebt, als die Winzlinge ihr neues Gehege im Garten bezogen haben oder bei mir in die Transportbox verfrachtet wurden. Zwar hat niemand ans Ende gesehen, aber ich bin ziemlich zuversichtlich, dass alle „Püppis“ für viele Jahre ein gutes, neues Zuhause gefunden haben.
Ende gut, alles gut.

7 Kommentare


  1. Meine Meinung:
    Mein Tier – mein Preis. Egal ob zu „hoch“, oder zu „niedrig“. Ich als Züchter (Verkäufer) bestimme, was ich für mein Tier haben möchte. Da lasse ich mir auch von keinem reinreden. Wichtig für mich ist nur, dass meine Tiere in ein artgerechtes Zuhause kommen. Der Preis war (und ist) für mich schon immer zweitrangig gewesen.


  2. Bleibt immer noch die Frage: Wer, wenn nicht die Dynamik des Marktes, das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage legt eigentlich dann fest, wie viel eigentlich ein Tier kosten darf, was es wert ist, ab wann es unter Wert verkauft, als „billig“ angeboten oder gar „verramscht“ wird?

    Wer hat hier die Kompetenz und das Recht,die Preisgestaltung anderer zu beurteilen, abzuurteilen, Maßstäbe anzulegen?

    Was genau rechtfertigt es, ein Weibchen für 200 €, 300 €, 450 € oder noch mehr anzubieten, wie es ja passiert – wenn nicht der Markt, der mir signalisiert, dass ich diese Preise erzielen kann?
    Aber muss ich das dann auch tun?

    Und wieso ist es das Weibchen wert, wenn sich die Wertermittlung nicht über den erzielbaren VK definiert? Zählt mein zuvoriges Investment? Wie bemesse ich das?

    Was ist ein gerechtfertigter Preis, und wie rechtfertige ich den, vorausgesetzt, ich möchte oder müsste das? Was ziehe ich dazu heran? Vergleichbare Angebote anderer? Preise von vor zehn Jahren (warum zehn, warum nicht zwölf, oder drei oder achtzehn)?

    Oder: Warum muss ich überhaupt einen Preis rechtfertigen, egal, wie hoch oder niedrig er ist?


  3. Hallo Lutz, Glückwunsch, dass deine Naturbruten offensichtlich alle ein artgerechtes Zuhause gefunden haben. Falls du mehrere zusammen abgegeben hast, wirst du die neuen Halter darüber aufgeklärt haben, was auf sie zukommt, wenn sich die Püppis zu Rambos entwickeln. Sehr realistisch ist die Einschätzung, dass es hauptsächlich Weibchen werden, ja nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
    In einem Punkt möchte ich dir widersprechen: Zitat in deinem Kommentar „Denn so lange für sichere Weibchen so viel bezahlt wird, wird es immer Leute geben, die auf Weibchen brüten und Dollarzeichen in den Augen haben.“
    Dieser Satz ist eine Ohrfeige für alle, die mit der Abgabe ihrer Nachzuchten tatsächlich warten, bis das Geschlecht eindeutig feststellbar ist.
    1. Klar ist es einfach, „auf Weibchen“ zu inkubieren. Was dabei herauskommt, liest man in Foren und FB-Gruppen fast täglich, wenn nämlich die sicher auf Weibchen gebrüteten Schildkröten zu Männchen mutieren.
    2. kann im Laufe der Aufzucht viel passieren, z.B. Angriffe durch Fressfeinde. Durch eine Waschbärattacke habe ich letztes Jahr einige juvenile Weibchen verloren.
    3. geht es nicht darum irgendwelche verhöckerten Weibchen auf den Markt zu werfen. Wer Weibchen anbietet, die nach 5-6 Jahren immer noch halbwegs glatt und wohlgeformt aussehen, muss schon die entsprechenden Erfahrungen und Voraussetzungen haben.
    Ein juveniles gut gewachsenes Thb-Weibchen darf einiges kosten. Das ist absolut gerechtfertigt. Viele Grüße, ich mache jetzt Schluss, muss erstmal meine Dollars zählen 🙂


  4. Noch einmal zum Mitschreiben:

    A. Der Verkäufer hat es in der Hand, egal, ob er die Tiere für 20 € oder 120 € abgibt, Käufer auszuwählen, die diese Tiere angemessen zu halten bereit sind. Der Preis , den er dafür nimmt, spielt dabei überhaupt keine Rolle.

    B. Nicht jeder kann alle Tiere, die bei ihm geschlüpft sind (insbesondere Überraschungsfunde im Gewächshaus oder Frühbeet) aus Platzkapazitäten bei sich auf Dauer behalten und ist daher doch dazu gezwungen, diese auf den „Markt zu werfen“. Ich erbitte für die Behauptung, dass Naturbruten überwiegend Männchen werden, einen validen Nachweis. Insbesondere für die Saison 2018 möchte ich das in Frage stellen.

    C. Ich begrüße die Preiserosion und werde mich auch weiterhin aktiv daran beteiligen, sollte ich auch dieses Jahr Nachzuchten haben, weil ich ein Gelege übersehen habe.


  5. Wenn man schon einen Überschuss der Tiere produziert hat (dies zu vermeiden gehört m.E. auch zur Verantwortung eines Züchters. Und Naturbruten werden sehr oft Männchen;)) dann wäre es besser diese zu verschenken. Ein Geschenk hat einen wesentlich höheren Wert als ein billiges „Schnäppchen“
    So würde wenigsten der Wert der Schildkröte nicht gemindert werden. Wertschätzung gegenüber diesen Tieren ist doch das mindeste was ein Schildkrötenfreund tun sollte. Keiner ist dazu gezwungen Schildkröten auf den Markt zu werfen.
    Die Billigangebote dieser Tiere führen uns wieder zurück in die 70er Jahre.
    Eine Griechische Landschildkröte verlässt um € 3,– eine Zuchtfarm. Damit kann keiner der „Billigzüchter“ mit. Auch die um € 30,– oder € 40,– verramschten Schildkröten bringen noch Geld. Wenn sich die „Züchter“ weiter gegenseitig unterbieten erreicht man bloß, dass viele aufhören und letztendlich nur noch die absoluten Billiganbieter durch Masse das große Geschäft machen. Ob das wirklich im Sinne der Tiere ist?
    Aber ja, wenn man ganz schnell seine Naturbruten zu Geld machen möchte, dann geht das natürlich nur mit Dumpingpreisen. So schnell mal € 400,– in der Tasche ist ja auch eine nette Sache;)


  6. Das sehe ich anders.
    Zum Einen ist es eine Frage von Platzkapazitäten, selbst wenn man nicht alle Gelege ausbrütet oder die Zahl der Naturbruten möglichst gering hält.
    Zum anderen bin ich der Meinung, der Preis dürfte noch mehr erodieren, bis auch der letzte Großzüchter begreift, dass das kein lukratives Geschäft mehr ist.
    Denn so lange für sichere Weibchen so viel bezahlt wird, wird es immer Leute geben, die auf Weibchen brüten und Dollarzeichen in den Augen haben.
    Ganz abgesehen davon ist ein Tier, dessen Geschlecht noch unklar ist, besser abzugeben als ein sicheres Männchen, die man möglicherweise gar nicht mehr los wird. Und dann kann es ganz schön eng werden.


  7. Wäre es nicht viel sinnvoller den Wert der Schildkröte zu steigern, das Tierchen nicht gleich nach dem Schlupf (bzw der ersten Überwinterung) an den „Mann/Frau“ zu bringen sondern es tatsächlich so lange zu behalten, bis man das Geschlecht erkennen kann?

Comments are closed.