Ein Einsatz zum Schutz der Meeresschildkröten in Watamu, Kenia

Von Birgit Böhm


Als Ehrenamtliche engagiere ich mich seit Anfang 2017 bei der Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V. (AGA), die sich seit über 30 Jahren international für den Natur- und Artenschutz einsetzt. Ich hatte das große Glück, meinen Urlaub mit einem Projektbesuch bei den Meeresschildkröten in Watamu in Kenia kombinieren zu können. Die Begegnungen mit diesen wundervollen Tieren und mit großartigen Menschen vor Ort, die sich mit viel Engagement und Herzblut für den Schutz bedrohter Arten einsetzen, haben mich sehr berührt und fasziniert. Meeresschildkröten durchqueren seit mehr als 100 Millionen Jahren unsere Weltmeere. Weltweit gibt es noch sieben Meeresschildkrötenarten, die alle vom Aussterben bedroht sind. Sie haben die Dinosaurier überlebt und Kontinentalverschiebungen getrotzt, doch heutzutage landen sie als ungewollter Beifang in den Langleinen und Netzen der Fischereiindustrie, ihre Niststrände werden durch den Bau von Straßen und Hotelkomplexen bedroht. Auch der zunehmende Plastikmüll in unseren Meeren bedroht das Überleben der faszinierenden Meeresreptilien.
Aus diesem Grund setzt sich der Local Ocean Trust (LOT) für den Schutz der Meeresschildkröten in Kenia ein. Unterstützt werden die engagierten Schildkrötenretter von ihrer Partnerorganisation AGA sowie zahlreichen freiwilligen Helfern, die als sogenannte Eco Visitor im Projekt mithelfen. Auch mich lockte ein solcher Hilfseinsatz nach Kenia und ich habe spannende Wochen im Projekt verbracht und einen kleinen Beitrag zur Rettung der Meeresschildkröten geleistet.
Watamu liegt am Indischen Ozean, etwa 120 km nördlich von Mombasa. Vor der Küste erstreckt sich der Meeres-Nationalpark Watamu Marine National Reserve, der vom Kenya Wildlife Service verwaltet wird. Das Team des Local Ocean Trust (LOT) hieß mich am ersten Tag herzlich willkommen. Nach einer Führung durch die Schildkröten-Auffangstation und -Klinik startet das Volontärsprogramm für die freiwilligen Helfer: Theoretische Inhalte, wie beispielsweise Informationen über die Arbeit des LOT und seine Ziele, wechseln sich dabei mit Praxisblöcken ab. Bevor es an die Arbeit geht, lernt jeder Helfer die wichtigsten biologischen Charakteristika der fünf an der Küste von Watamu vorkommenden Meeresschildkrötenarten kennen, um sie unterscheiden zu können. Nur mit diesem Wissen können wir Volontäre effektiv im Beifang-Rettungsprogramm mitarbeiten und wirkliche Unterstützung bei der täglichen Arbeit leisten. So nutzen die Grüne Meeresschildkröte und die Echte Karettschildkröte den Strand von Watamu zum Nisten. Die Unechte Karettschildkröte, die Oliv-Bastardschildkröte und die Lederschildkröte kommen zwar auch in den Gewässern vor, nutzen den Strand aber nicht zur Eiablage.
Im erfolgreichen Beifang-Rettungsprogramm beteiligen sich seit Jahren zunehmend mehr lokale Fischer. Sie melden dem LOT, wenn sich in ihren Netzen eine Meeresschildkröte verfangen hat. Die Fischer erhalten eine Ausgleichszahlung, die sie für den Zeitaufwand und ggf. Auslagen entschädigt, jedoch keinen Gewinn darstellt, um Missbrauch zu vermeiden. Allein im Jahr 2017 konnte der LOT 1.559 Schildkröten, die als Beifang in den Fischernetzen gelandet waren, retten und erfolgreich wieder in die Freiheit entlassen. Insgesamt wurden damit bis Ende 2017 bereits mehr als 16.000 Meeresschildkröten durch das Programm gerettet.
Eine halbtägige Einweisung erfolgt zudem in der Schildkrötenklinik. Hier wurden die unterschiedliche Ernährung der Meeresschildkröten, die richtige Wasseraufbereitung und -reinigung oder gängige Krankheiten besprochen. Bei der Grünen Meeresschildkröten tritt beispielsweise häufig Fibropapillomatose auf, ein Herpesvirus. Entsprechend wurden die möglichen Behandlungsmethoden aufgezeigt.
Nach all den vielen spannenden und neuen Infos hieß es dann endlich Ärmel hochkrempeln: als freiwillige Helferin beim LOT hatte ich jede Menge zu tun. Sobald sich eine Meeresschildkröte in einem Fischernetz verfangen hat und die Fischer den LOT alarmieren, ziehen die Schildkrötenretter zusammen mit den Freiwilligen los. In einem alten Pick-up sind wir schnellstmöglich auf holprigen Sandwegen zu den jeweiligen Fischern gefahren und zwar egal zu welcher Uhrzeit – da blieb auch manches Mal das gemeinsame Team-Mittagessen auf der Strecke.
Nicht fehlen durfte natürlich eine Waage, Maßband und nummerierte Markierungsplaketten mit denen die Tiere für eine zukünftige Wiedererkennung markiert und erfasst werden. Unsere Aufgabe war es, jedes gerettete Tier aus dem Beifang-Rettungsprogramm genau auf Verletzungen und Krankheiten oder sonstige Auffälligkeiten am Panzer zu untersuchen, zu vermessen, zu wiegen und zu markieren, bevor es schnellstmöglich zurück in die Freiheit entlassen wurde – immer vorausgesetzt, dass es gesund war. Ganz klar, die Tiere an den Strand zu setzen und ins Meer zu entlassen, war für mich jedes Mal ein sehr bewegender Moment. Wenn jedoch eine Schildkröte verletzt oder erkrankt war, dann wurde der Patient medizinisch versorgt und in der Schildkröten-Klinik gesund gepflegt. Bei Bedarf wurde der örtliche Tierarzt hinzugezogen, der die genaue Behandlung der Tiere bestimmt, um sie so bald wie möglich wieder auszuwildern.
Die Arbeit mit Meeresschildkröten kann übrigens durchaus anstrengend und recht ruppig sein. Nicht selten passierte es, dass mich ein Flossenschlag am Arm erwischt hat. Im schlimmsten Fall ein blauer Fleck, aber den nimmt man selbstverständlich liebend gerne in dem Wissen in Kauf, dass wieder eine Meeresschildkröte gerettet werden konnte.
Ein ganz besonderes Highlight meines dreiwöchigen Einsatzes war es, zu beobachten, wie frisch geschlüpfte Schildkrötenbabys ihren Weg ins Wasser fanden. Bereits bei der Eiablage stellen die Strandpatrouillen des LOT sicher, dass die Meeresschildkröten am Strand ungestört ihre Eier ablegen können. Bis zum Schlupf werden die Nester vor Wilderern und der Störungen durch touristische Aktivitäten geschützt. Wenn das Nest in einem touristisch stark genutzten Bereich gelegt wurde, wird es an einen ungefährdeten Strandabschnitt umgesetzt. Zudem erfolgt ein genaues Monitoring der Nistsaison, das Eiablage und Schlupferfolg aufzeichnet. Die Hauptnistzeit in Watamu ist zwischen März und August doch ich hatte echtes Glück: Ende November war es nochmals soweit und aus einem umgesetzten Nest mit insgesamt 86 Eiern sind 47 junge Schildkröten geschlüpft – zwar noch unbeholfen, aber bereits zielstrebig Richtung Meer laufend. Mir bleibt nur, die Daumen zu drücken, dass die Weibchen unter „meinen“ kleinen Schlüpflingen eines Tages wohlbehalten zur Eiablage an diesen Strand zurückfinden.
Wochentags ist der Tag oft schon gegen 21h zu Ende und alle liegen müde, aber erfüllt im Bett. Der LOT stellt 4 Doppelzimmer mit Bad zur Verfügung, die einen kleinen Pool säumen. Für das Frühstück ist jeder Volontär selbst verantwortlich, das man sich – genauso wie das Abendessen – in der gemeinsamen Küche zubereiten kann. Zum Mittagessen (montags bis samstags) trifft sich immer das komplette Team des LOT. Es gibt ausschließlich lokales Essen wie beispielsweise Mchicha (Spinat auf Swaheli Art), Sukuma (eine Art Kohl), Pilau (Reisgericht) oder das bei Einwohnern stets beliebte Nationalgericht Ugali (Getreidebrei aus Maismehl). Wer auf Pizza und Pasta nicht verzichten möchte muss das aber auch nicht, denn in Watamu hat sich seit einigen Jahren eine feste italienische Community etabliert – inklusive diverser Gastroangebote. Italienisches Eis in Watamu? Hakuna Matata – kein Problem.
Was macht man eigentlich am Ende eines ereignisreichen Tages wenn die letzte Meeresschildkröte erfolgreich ins Meer entlassen wurde? Am besten bei untergehender Sonne noch kurz zur Abkühlung ins Meer springen. Und danach mit anderen Volontären im LOT eine Kleinigkeit kochen. Oder aber sich per Mofa rund 2,5 km nach Watamu ins Zentrum fahren lassen, um entweder lokales Streetfood zu genießen oder in einem der kleinen Restaurants entlang der Hauptstraße oder am Strand essen zu gehen. Watamu bietet viele wunderbare Optionen für fast jeden Geschmack.
Neben der täglichen Arbeit und Begegnung mit den Schildkröten hat mich vor allem der Einsatz des Teams begeistert. Die Mitarbeiter sind mit ganzem Herzen dabei. Das Projekt ist voller Leben und Energie – eine unglaubliche Bereicherung für alle Beteiligten. Ich bin absolut dankbar für diese schöne Erfahrung und kann den Einsatz als freiwilliger Helfer im Schildkröten-Rettungsteam des LOT begeistert weiter empfehlen!

Weitere Informationen über Auslandspraktika der AGA finden Sie hier.
Zum Projekt in Watamu gibt es hier weitere Informationen.

Text und Fotos: Birgit Böhm. Alle Rechte bei der Autorin

2 Kommentare


  1. Der Bericht hat mir sehr gut gefallen!


  2. Sehr schöner Beitrag, bei dem man einen guten Eindruck von der Arbeit als freiwilliger Helfer bekommt. Ich finde es toll, dass sich Menschen in ihrer Freizeit für den Tierschutz einsetzen.

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