Am 14. und 15. Oktober 2017 veranstaltete die Interessengemeinschaft Schildkrötenschutz und Nachzucht e.V. (IGSN) zum zweiten Mal die IGSN-Schildkrötenschutztage. Während die ersten Schutztage in Hörblach (Bayern) knapp 60 Teilnehmer verzeichneten, und dort erste Kontakte mit Tierheimen und Behördenvertretern geknüpft wurden, versuchte die IGSN ähnliche Zahlen und Ziele 2017 in Gladbeck (NRW) zu erreichen.
Zunächst mal die nackten Zahlen. Es wurden 650 insgesamt Einladungen geschrieben. Davon 250 über den Postweg an die Vereine und Behörden in NRW. Letztendlich gab es dann 74 Zusagen. Klingt nicht gerade nach Zuspruch. Und dennoch schien es hinterher so, als wären alle zufrieden nachhause gefahren. Sie hatten alle ein strammes Vortragsprogramm hinter sich. Doch der Reihe nach…
Die Schildkrötenschutztage wurden von der AG-Schildkrötenschutz innerhalb der IGSN ins Leben gerufen. Primäres Ziel war und ist eine immer besser werdende Vernetzung aller Beteiligten, die mit Schildkröten im Tierschutz zu tun haben. Die AG-Mitglieder der IGSN sind alle seit Jahren selber im Schildkrötenschutz aktiv, und haben in der Vergangenheit feststellen müssen, dass das „Miteinander“ fehlt. Und dass jeder irgendwie für sich arbeiten muss und will. Hinzu kamen die sehr unterschiedlichen Auflagen die die einzelnen Stationen erfüllen müssen, um überhaupt eine Betriebserlaubnis zu bekommen, und die damit verbundene Genehmigung nach §11 TierSchG. Um eben genau darauf aufmerksam zu machen, lädt die IGSN seit diesem Jahr, im Abstand von zwei Jahren zu dieser Tagung Tierheime und Auffangstationen, Pflegestellen und Tierschutzvereine, sowie Zoos und Tierparks, bzw. deren Tierpfleger deutschlandweit ein.
Während der zweittägigen Veranstaltung referieren dann etablierte Fachreferenten und IGSN-Mitglieder zu unterschiedlichen Themenbereichen wie Quarantänemanagement, Arterkennung, Erkrankungsdiagnostik, Tierheimauflagen und neue Verordnungen.
Am 14. Und 15. Oktober waren es dann letztendlich leider nur die bereits erwähnten 51 Teilnehmer, die bei schönstem Schildkrötenwetter im Tagungsraum platznahmen. Darunter auch einige Azubis aus den anliegenden Tierheimen, über die wir uns besonders gefreut haben. Die Tierschutzvereine aus Iserlohn, Gera, Altenburg, Herne Wanne, der Soester Börde, aus Gelsenkirchen, Recklinghausen, dem Großraum Essen, Krefeld, Düsseldorf und Aachen waren vertreten. Die Schildkrötenstationen aus Stuttgart, Kitzingen, Dorsten, Lüdinghausen, Oberhausen, Aachen und Meerbusch. Die Behörden aus Coesfeld, Münster, dem Rhein-Erftkreis und Solingen hatten ihr Kommen zugesagt. Auch „wasserschildkroeten.eu e.V.“ war natürlich vertreten. Des weiteren ein Zoofachgeschäft, das keine europäischen Landschildkröten während der Wintermonate verkauft. Und natürlich Mitglieder der IGSN und der ViVe.
Markus Juschka (erster Vorsitzender der Vivaristischen Vereinigung e.V. – ViVe e.V.) machte den Anfang und stellte die besondere Bedeutung der Sachkunde, nicht nur im Tierschutz vor. In den knapp 80 Minuten berichtete er ausführlich über die Möglichkeiten einer Sachkundeprüfung sowohl nach §2 und §11 TierSchG durch die Vivaristische Vereinigung e.V., die er seit Bestehen leitet. Der kurzweilige Beitrag veranlasste gerade die jungen Teilnehmer sehr viel mitzuschreiben. Schildkrötenschutz bedeutetet immer Artenschutz und Tierschutz zu vereinen. Das wurde dann auch im zweiten Vortrag ganz deutlich.
Die gute Zusammenarbeit von Behörde und Tierschutz in Aachen war aber das eigentliche Thema in den folgenden 35 Minuten. Amine Fehr und Petra Gronowski, die die offizielle Auffangstation für Landschildkröten der StädteRegion Aachen vorstellten, machten von Beginn an sehr deutlich klar, worauf die neue Generation Tierheimmitarbeiter achten sollten: Krankheitsbekämpfung und Eindämmung der Verbreitung von typischen Viren in der Schildkrötenhaltung. Aber gerade die sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Behörden und dem Tierschutzverein wurde immer wieder betont in den Vordergrund gestellt. So sollte das doch bitteschön immer laufen. Petra Gronowski von der StädteRegion Aachen setzt sich sehr für die Schildkröten in ihrem Zuständigkeitsgebiet ein. Amine untersucht und versorgt dann die Landschildkröten, die in der Region gefunden werden, und leitet die Station. Der Anteil von Mykoplasmen positiven Tieren, die in die Station kommen ist zwar erschreckend hoch. Aber umso mehr sollte es sich doch lohnen, sich dafür einzusetzen, dass eine weitere Verbreitung verhindert wird. Deutlich geringer, aber immer noch deutlich höher als vielleicht erwartet die Zahl der Tiere bei denen Herpes-Antikörper festgestellt wurden. Imposant empfand dann die Mehrheit der Zuhörer die vorgestellte Herpesstation in Aachen. Streng getrennt nach Herpesstämmen werden die Schildkröten dort gepflegt, bis man sie erfolgreich vermitteln kann…
Die Köpfe rauchten und es wurden weiterhin viele Notizen gemacht. Fast schien es so, dass einige Teilnehmer zum ersten Mal die Begriffe „Herpes“ und „Mykoplasmen“ gehört hätten. Wie viel Wahrheit sich in diesem Satz befindet, erfuhren wir dann am zweiten Tag. Aber dazu später etwas mehr.
Eigentlich wäre nun Isabel Grefen von der Schildkrötenauffangstation München an der Reihe gewesen. Aus gesundheitlichen Gründen musste die Tierärztin aber leider kurzfristig absagen.
Deshalb ging es mit der Beschreibung der Quarantänestation in der Landschildkrötenauffangstation in Kitzingen weiter. Sandra Malguth beschrieb die überdurchschnittlich guten (fast schon perfekten) Quarantänebemühungen ihrer Station. Die Auflagen der zuständigen Amtsveterinärin sind hart. Aber man wächst mit seinen Aufgaben. Und letztendlich profitieren von solch strengen Maßnahmen die Schildkröten, die noch nicht mit tückischen Viren verseucht sind. Hier wurden zwar keine Zahlen genannt, aber es ist anzunehmen, dass die Zahlen der infizierten Tiere deutlich unter denen liegen, die aus Aachen gemeldet wurden. Sind sie etwa nur ein Problem in NRW? Oder liegt es an der insgesamt höheren Anzahl an gehaltenen Landschildkröten in der Region?
Nach einer Pause machte Dr. Henriette Mackensen allen Teilnehmern am Beispiel von europäischen Landschildkröten, und Rotwangenschmuckschildkröten klar, welche rechtlichen Vorgaben man im Tierschutz zu erfüllen hat. Die Leiterin der Abteilung Heimtiere innerhalb des deutschen Tierschutzbundes machte in ihren Vortrag mit interessanten Vergleichen im Bezug auf geforderte Mindestanforderungen der verschiedenen Vereine und Verbände deutlich, dass es da doch erhebliche Meinungsunterschiede gibt. Dr. Mackensen lobte kurz vor ihrer Abreise am Sonntag diese Veranstaltung. Auch am Abend zuvor, beim gemeinsamen Abendessen zeigte sich, dass sich die anwesenden Vertreter der Vereine und Verbände gut verstanden. Jeder hörte dem anderen zu.
Und alle hatten die Möglichkeit vielleicht gemeinsame Ziele anzustreben. Gerade der deutsche Tierschutzbund in Person von Dr. Henriette Mackensen nutzte die Möglichkeit der aufrihtigen Kommunikation. Ihr hatten wir es schon vor der Veranstaltung zu verdanken, dass innerhalb des Tierschutzbundes die Tierheime aus NRW noch einmal vom Tierschutzbund selber auf diese Veranstaltung aufmerksam gemacht wurden. Ich würde mich freuen, wenn diese Unterstützung auch vielleicht bei den dritten Schildkrötenschutztagen angeboten wird.
Mit Christin Kern, von der Auffangstation für Landschildkröten in Stuttgart endete dann der erste Tag. Die Gewinnerin des „Tierschutzpreises Baden Württemberg 2015“ zeigte den Besuchern wie ein Gehege für europäische Landschildkröten im Optimal-Fall auszusehen hat. Für Tierheime leider viel zu selten umsetzbar. In den traditionellen Tierheimen ist kaum Platz für geräumige Freigehege mit beheizten Gewächshäusern und Frühbeeten. Aber die nächste Generation saß ja im Publikum, und wird sich zukünftig sicher dafür einsetzen, dass sich das vielleicht ändert. Am Ende ihres Beitrages zeigte Christin dann noch, wofür sie die 500 Euro Spende der IGSN aus 2016 verwendet hat. Ein neues Freigehege für Köhlerschildkröten (Chelonoidis carbonarius) ermöglicht ihr nun eine artgerechte Haltung mit Freilandhaltung der „Buntnasen“ in ihrer „Auffangstation für Landschildkröten in Stuttgart“. Bedanken möchte ich mich auf diesem Wege für das kleine Präsent, das sie mir dann nach ihrem Vortrag noch übereichte, natürlich mit Buntnasenmotiv.
Bei einem gemütlichen Abendessen wurde dann gefachsimpelt. Jeder redete mit jedem, und es entwickelten sich interessante Gespräche. Informationsaustausch zwischen Behörden und Tierheimen. Oder Auffangtationen und Tierärzten. Usw. Ich war um 0.30 Uhr zuhause und sehr müde. Andere Teilnehmer saßen da aber immer noch im Hörsaal und unterhielten sich. Motiviert ging es am nächsten Morgen weiter.
Text und Bilder: Ralf Czybulinski (IGSN e.V.)