Kalkstein und die Bodenabmagerung

Im vorangegangenen Artikel haben wir uns mit der Funktionen von Gesteinen im Gehege beschäftigt. Heute soll es vor allem um die Frage der Bodenabmagerung gehen:

„Alle Schildkröten leben in ihren natürlichen Habitaten auf mageren Böden und Kalkstein“
„Wer seine Tiere artgerecht halten will, sollte das Habitat bestmöglich imitieren. Und dazu gehören nun mal Kalkböden!“

 

Sätze dieser Art sind immer wieder zu lesen, wenn sich Neueinsteiger und Gehegebauer in Internetdiskussionen nach dem richtigen Untergrund für ihre Schildkrötenhaltung erkundigen. Gegen diese beiden Sätze ist inhaltlich nichts zu sagen (außer der bereits erwähnten Einschränkung, dass nicht alle mediterranen Schildkröten auf Kalksteinböden leben, Schildkröten leben auch auf Granit und Schiefergestein, aber der Großteil lebt auf Kalksteinböden).
Aus diesen Sätzen wird dann fast schon dogmatisch abgeleitet, dass man sein Gehege intensiv kalken müsse und reichlich Kalkschotter auszubringen habe. Das muss quasi so sein, um die Böden zu verbessern. Falsch ist das nicht, natürlich sollten Schildkrötengehege um der Pflanzen willen gekalkt werden, dazu ist auf der Testudowelt-Seite der Beitrag Auch Gehege brauchen Kalk erschienen. Zur Überschotterung vieler Gehege erschien eine dreiteilige Serie Alles Schotter oder was.

Trotzdem möchte ich das Thema noch einmal aufgreifen und weitere Gedanken und ein paar Rechnungen dazu veröffentlichen.
Natürlich ist es richtig, dass die meisten europäischen Schildkröten auf kalk(stein)haltigen und vor allem nährstoffarmen, mageren Böden leben. Dazu aber muss man im Hinterkopf behalten, dass diese Böden das Produkt einer jahrtausendealten Entwicklung ist. Wer also glaubt, sein Gehege mit ein paar Säcken gemahlenem Kalk und Kalkschotter auf die Schnelle habitatsähnlich gemacht zu haben, der irrt gewaltig. Dazu in diesem und im Folgebeitrag mehr.
Hinzu kommt, dass die Böden hierzulande sehr unterschiedlich beschaffen sind: Es gibt schwere Lehmböden, Schluffböden, Tonböden, Sandböden. Es ist also nicht verkehrt, sich zunächst mal damit zu beschäftigen, was für einen Boden man selbst im Garten hat.
Laut Angabe der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft lag 2010 bei einer Bodenzustanderhebung der Nitrat-Durchschnittswert im Bundesland bei 11,9mg/l. Gemessen wurden Werte von 0,4mg/l bis zu alamierenden 344,7mg/l. Wie hoch der Nitratgehalt in der eigenen Region ist, wissen in der Regel die zuständigen Behörden. Man kann solche Messungen mit etwas Aufwand allerdings auch selbst vornehmen.

Vereinfacht gesprochen ist ein magerer Boden ein nährstoffarmer Boden. Im Boden sind relativ wenige Nährstoffe (allen voran Stickstoffverbindungen wie Nitrate) für die Pflanzen enthalten. Nitrat kommt faktisch in allen Böden vor, nur eben in unterschiedlichen Konzentrationen. Wenn es Ziel ist, einen habitatsähnlichen, stickstoffarmen Boden im Gehege zu erreichen, dann schaffen wir das bei den meisten Böden hierzulande nur, wenn wir die Konzentration des Stickstoffs im Boden reduzieren.

Das kann prinzipiell über zwei Methoden geschehen.

Magere Böden – Bodenabmagerung durch Mahd
Ein in der Landwirtschaft bewährtes Prinzip, zu hohe Stickstoffkonzentrationen aus den Ackerböden zu holen ist, schnell wachsende Pflanzen, die dem Boden viele Nährstoffe entziehen, zu pflanzen. Diese Pflanzen werden später abgeerntet, oder eben auf Feldern als Gründünger wieder untergepflügt, damit sie dem Boden nach und nach den „gebundenen Stickstoff“ wieder zurückgeben.
Das ist natürlich im Schildkrötengehege weder machbar noch sinnvoll. Damit die Pflanzen nicht bei der Zersetzung die Nährstoffe an den Boden zurückgegeben werden, müssen diese natürlich entfernt werden. Das wäre dann in gewisser Weise Nährstoffentzug durch Mahd.
In der Landwirtschaft werden viele  Böden durch den Anbau bestimmter Pflanzenarten regelrecht „entlaugt“ (das Wort ist eigentlich falsch, denn dem Boden wird biochemisch gesehen ja keine Lauge entzogen), um ihnen dann wieder Düngtoff (Gülle) zugegeben, um den Nitratgehalt wieder anzureichern. Andernfalls wäre eine Überkonzentration der Stickstoffe die Folge, was wiederum für das Grundwasser und angrenzende Gewässer (Bäche, Flüsse, Weiher, Teiche Seen) erhebliche Folgen haben kann.
Diese hocheffektive Methode ist zur Abmagerung von Schildkrötengehegeböden natürlich schon rein technisch nicht geeignet, aber sie macht klar, warum im Gehege nicht gedüngt werden sollte. Eine Nitratanreicherung ist nämlich genau das Gegenteil dessen, was wir bewirken wollen.
Das heißt: Gehege benötigen keinen Dünger, keinen Düngekalk, keine Hornspäne etc. Das heißt aber auch, dass bei Rückschnitt Pflanzenteile nicht unbedingt im Gehege einfach verrotten sondern besser entfernt werden.

Magere Böden – Bodenabmagerung durch Verdünnung
Die zweite Methode ist eigentlich keine Abmagerung sondern eine Verdünnung der Nährstoffkonzentration.
Dazu mal eine ganz einfache Rechnung:
Wenn man zum Beispiel ein 20cm tiefes Loch gräbt, das 10cm lang und 10cm breit ist (kleiner als eine Postkarte), erhält zwei Liter Bodenaushub. Wenn man diese Erde mit einem mal angenommen sehr hohen Nitratgehalt von 50mg/l in eine Wanne füllt, hat man dort zunächst 100mg Nitratverbindungen. Werden zu dieser Erde zwei Liter nährstoffloses Substrat (z.B. Sand ,gemahlener Kalk) hinzugegeben, erreicht man eine Gesamtmenge von 5 Litern Substrat. Auf die verteilen sich dann die 100mg Nitratverbindungen. Es ist das ganz einfache Verdünnungsprinzip, das für feste Substanzen ebenso gilt wie für flüssige oder gasförmige.
Und weiter: Heruntergerechnet auf einen Liter von diesem Substratgemisch hat man statt der bisherigen 50mg/l nur noch auf 20mg/l. Die Nitrat-Konzentration wäre nebenbei bemerkt allerding immer noch hoch.

Diese Rechnung macht deutlich, wie groß die Zugabe nitratloser Substrate sein müsste, wenn man tatsächlich seine Böden per Verdünnungsprinzip substantiell abmagern wollte – vor allem, wenn man es mit „dem guten Mutterboden“ zu tun hat. Ein paar Säcke Dolomitkalk oder ein paar Säcke Sand im Gehege zu verteilen, sind da kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dazu rechnen wir weiter: 50 Kilogramm Sand und/oder Kalksteinmehl (also i.d.R. zwei Säcke) würden bei 50 Kilogramm Erde den Nitratgehalt halbieren. Nur bestehen unsere Gehege nun mal nicht aus 50 Kilogramm Erde sondern aus mehreren Tonnen.
Dazu eine Beispielberechnung: Ein 20qm großes Gehege (4m x 5m) und eine obere Erdschicht von nur 30 cm bringt es auf 4,5 Kubikmeter Bodensubstrat. Garteneerde ist ja kein verdichtetes Material, sondern enthält auch viele „Luftkammern“. Maximal verdichtet wären es sonst wären es 6 Kubikmeter.
Laut Rechner auf Baustoffe-liefern.de haben 4,5 Kubikmeter Erde ein Gewicht von etwa 4,1 Tonnen. Ich denke, wir können uns angesichts dieser Zahlen von der naiven Vorstellung, mit ein paar Säcken Sand und Kalk das Erdreich nachhaltig abzumagern, endgültig verabschieden. Denn wer den Nitrat- und Nährstoffgehalt in diesem Beispielgehege halbieren will, müsste 4,1 Tonnen Sand und Kalk in die Erde einarbeiten. Bei einem Gewicht von 25kg pro Sack wären das insgesamt 1.640 Säcke.
Theoretisch ist das natürlich machbar – aber eben nur theoretisch…
Was also tun?

Wird hier im Beitrag „Kalkstein und Bodenchemie“ fortgesetzt.

Text und alle Bilder: Lutz Prauser.  Alle Rechte beim Autor.

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