Im ersten Teil unserer Serie zur Calciumernährung ging es um die Frage, was Kalk eigentlich ist, in dem zweiten Teil sind wir der Frage nachgegangen, wie Kalk eigentlich von einem Organismus aufgespalten und aufgenommen wird. Teil 3 nun widmet sich der Frage, warum Schildkröten eigentlich Calcium brauchen.
Teil 3: Wozu benötigen Schildkröten Calciumcarbonat?
Die Beantwortung dieser Frage sollte für Schildkrötenhalte eigentlich nicht so schwer zu beantworten sein. Natürlich brauchen Schildkröten, wie alle Wirbeltiere, zunächst einmal Calciumcarbonat zum Knochenaufbau. Aber das ist noch lange nicht alles und daher ist die Sache dann doch wieder nicht ganz so einfach.
Wird also eine Schildkröte (oder ein andere Wirbeltier) auf Dauer mit zu wenig Calcium versorgt, führt das nicht nur dazu, dass der Knochenaufbau nur mangelhaft erfoglen kann, es geht sogar noch weiter: Knochen werden nicht nur nicht auf- sondern sogar wieder abgebaut.
Hierbei muss man sich zusätzlich vor Augen führen, dass der Anteil des Skeletts am Körpergewicht von Schildkröten um ein Vielfaches höher ist, als bei allen anderen Wirbeltieren. Das resultiert durch den speziellen Skelettaufbau der Schildkröten, denn ein Großteil des Skeletts besteht ja unter den Hornschilden aus großen Knochenplatten: „Das relative Panzergewicht betrug bei Landschildkröten (ausgenommenSchlüpflinge) 34 %KG, bei Wasserschildkröten 29 %KG und bei Sumpfschildkröten 31 %KG. Schlüpflinge wiesen ein relatives Panzergewicht von 21 %KG auf.“ schreibt Geraldine Kopsch in ihrer Dissertation „Untersuchungen zur Körperzusammensetzung von Schildkröten“ (Kopsch, 2006 – herunterladbar hier).

Diese Zahlen sprechen für sich. Aber man sollte sie durchaus einmal mit anderen Wirbeltieren vergleichen: Das Skelett der Vögel macht etwa 8-10% des Gesamtgewichts aus, bei Mäusen sind es auch etwa 10%. Das menschliche Skelett bringt es auf 10-15% des Gesamt-Körpergewichts.
Das heißt: Schildkröten bauen im Verhältnis zu ihrem Gesamtgewicht die doppelte bis dreifache Knochenmasse auf als der Mensch. Das allein müsste deutlich machen, warum Schildkröten so enorm viel Calcium benötigen.
Das ist aber noch immer nicht alles. „Man kann erkennen, wie mit zunehmender Panzerlänge vermehrt Knochenmaterial am Rückenpanzer (von der Wirbelsäule ausgehend) und am Bauchpanzer (von derAußenbegrenzung des Bauchpanzers ausgehend) gebildet wird.“ (Kopsch, 2006). Das heißt: Mit zunehmendem Alter wächst der relative Anteil von Knochengewebe im Panzer stark an. Und selbstverständlich bedeutet das: Schildkröten brauchen ihr Leben lang Calciumcarbonat. Sie brauchen es ohnehin für all die wichtigen Körperfunktionen, aber eben auch zusätzlich für das Panzerwachstum.
Das kann sehr weitreichende Folgen haben. Knochenbrüche sind unmittelbare Folgen. Aber gerade die Deformationen führen zu einer langen Liste an Beeinträchtigungen und Erkrankungen: Beeinträchtigungen der Lunge und anderer Organe mit allen Folgeerscheinungen/-erkrankungen, Bewegungsprobleme, Probleme mit der Nahrungsaufnahme usw..

Bitte lesen Sie dazu auch unseren Beitrag „Nachgefragt beim Tierarzt: Rachitis“, in dem der Tierarzt Ingo Diegel Informationen über diese Erkrankung zusammengestellt hat. Auch eine Google-Bildersuche zeigt in Sekundenschnelle hunderte höchst bedauernswerter deformierter Tiere – und sie alle sind verwachsen als Folge von, zum Teil langjähriger, absolut katastrophaler Haltung.
Bei weiblichen Schildkröten gibt es noch einen zusätzlichen hohen Bedarf für Calcium: Die Ausbildung von Eierschalen. Mittlerweile liegt eine wissenschaftliche Untersuchungen zur Zusammensetzung von Reptilieneiern von Caroline Hartmann vor. In dieser Dissertation wird unter anderem der Calciumanteil von Eiern diverser Schildkrötenarten untersucht. (Hartmann, 2009 – herunterladbar hier). Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Trockensubstanz des Nährstoffgehalts von Schildkröteneiern entfällt dabei auf Calcium. Das ist etwa das Hundertfache vom Calciumgehalt des Eigelbs.
Wir müssen hier nicht besonders tief in dieses Thema einsteigen, um zu erkennen, dass natürlich weibliche Schildkröten einen erheblichen zusätzlichen Bedarf an Calcium haben, wenn sie Eierschalen ausbilden. Jeder Halter von eierlegenden Weibchen kann dies aus eigener Beobachtung bestätigen, vor der Eiablage nehmen die Weibchen schier Unmengen von Calcium auf.
Zusammengefasst – Calcium wird benötigt für
– eine Vielzahl von Körperfunktionen
– Knochenaufbau
– Ausbildung von Eierschalen
Damit stellt sich die nächste Frage: Woher decken Schildkröten eigentlich ihren Calciumbedarf in der Natur?
Zuvor, quasi als Einschub, wollen wir uns im kommenden Beitrag einer anderen Frage widmen:
Demnächst Teil 4: Calcium und Phospohr – wie gehört das zusammen?
Text und Fotos (sofern nicht anders vermerkt): @ Lutz Prauser, 2013.
Alle Teile im Überblick und mit direkter Verlinkung in die Beiträge:
Teil 1: Was ist Kalk
Dieser Teil beantwortet im wesentlichen, was dieser „Kalk“ eigentlich ist, den Schildkröten zu dringend benötigen. „Kalk“ ist schließlich nicht gleich „Kalk“…
Teil 2 Wie wird Calciumcarbonat „verdaut“?
Wie spaltet sich das Cartbonat? Wie gelangt es in den Körper von Säugetieren und wie ist das bei Schildkröten?
Teil 3: Wozu brauchen Schildkröten Calciumcarbonat?
Warum ist es wichtig, dass Schildkröten ausreichend Calciumcarbonat bekommen?
Teil 4: Calcium und Phosphor – Wie gehört das zusammen?
Man darf das Eine nicht ohne das Andere sehen…
Teil 5:Calcium und Oxalsäure – alles Rhabarber?
Anmerkungen vor den fortgesetzten Warnungen vor zuviel Oxalsäure in der Nahrung.
Teil 6: Natürliche Calciumquellen
Wo finden sich in der natürlichen Ernährung von Schildkröten Spuren von Calcium?
Teil 7: Die Eierschalenfrage
Der Dauerbrenner: Soll man Eierschalen ins Gehege geben?
Teil 8: „Knochen kauen“
Knochen als Calciumquelle für Schildkröten.
Teil 9: „Knochen kochen“
Praktische Empfehlungen zum richtigen Abkochen von Knochen
Teil 10: Schulp – Die Wunderwaffe
Sepiaschulp – Die meistverbreitete Nahrungsergänzung
Teil 11: Schnckenhäuser, Muschelbruch, Perlen
Kristallines Calciumcarbonat für Schildkröten?
Teil 12: Algenkalk und Präparate aus Algenkalk
Alternative Calciumquellen.